Nach der Entführung hunderter Schulmädchen in Nigeria Boko Haram - eine Sekte verbreitet Angst und Schrecken

Abuja · Sie überziehen Nigeria schon lange mit Terror. Die Entführung von knapp 300 Schülerin stellt den vorläufigen Höhepunkt in den brutalen Machenschaften der islamistischen Sekte Boko Haram dar. Auch am Mittwoch zogen sie eine blutige Spur durch das Land. Doch wer steckt eigentlich hinter der Gruppierung, und was wollen die Mitglieder?

Die Sekte Boko Haram
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Foto: dpa, axs

Drei Wochen ist es her, seit die Schülerinnen aus dem Dorf Chibok entführt worden sind. Nun ist klar, dass Boko Haram dahinter steckt. Sie wollen die Mädchen zwangsverheiraten oder als Sklavinnen verkaufen. Die Gewalt hat damit noch lange kein Ende. In der Nacht zum Mittwoch überfielen laut der Zeitung "Daily Trust" bewaffnete Männer das Dorf Gamboru im Bundesstaat Borno und ermordeten die Einwohner wahllos. Mehr als 200 Menschen sollen getötet worden sein, darunter auch 16 Polizisten.

Es ist eine Welle der Gewalt, die Nigerias Bevölkerung nun schon seit Jahren ertragen muss. Seit 2002 terrorisiert die Gruppe das Land, verübt Anschläge auf Kirchen, Schulen, Sicherheitskräfte oder Behörden. Allein in diesem Jahr sollen durch ihre Anschläge mehr als 1500 Menschen ums Leben gekommen sein.

Offenbar Kontakte zu Al-Qaida-Ablegern

Boko Haram will im muslimischen Norden Nigeria einen Gottesstaat errichten und die Scharia einführen. Der Name bedeutet in einem örtlichen Dialekt "Westliche Bildung ist verboten". Über Organisationsstrukturen und Mitgliederzahlen liegen keine gesicherten Informationen vor. Aber die Sekte soll Kontakte zum nordafrikanischen Arm des Al-Qaida und zur islamistischen Al-Shabaab-Miliz in Somalia haben. Überlebende sagen, sie sollen besser ausgerüstet sein als die Regierungstruppen.

Ein Wendepunkt im Agieren der Sekte war 2009, als der Anführer Mohammed Yusuf erst festgenommen und dann von Polizisten hingerichtet worden war. Seither führt dessen Stellvertreter Abubakar Shekau die Gruppe und soll Drahtzieher hinter fast allen blutigen Attacken sein. Mehrmals wurde er für tot erklärt, doch meldet er sich immer wieder in Bekennervideos zurück. Und die Gruppe habe seither ihre Angriffsziele ausgeweitet, wie es beim wissenschaftlichen Dienst des Bundestages zu lesen ist.

Erst seit dem vergangenen Jahr sei die Gruppierung zu Entführungen übergegangen, heißt es in einer Studie der schottischen St-Andrews Universität. Dies sei eine Reaktion auf das Agieren der nigerianischen Regierung, die 2012 zahlreiche Ehefrauern von Boko-Haram-Mitgliedern inhaftiert hatte. In der Folgezeit seien immer wieder Frauen entführt worden, um die Gattin freizupressen. Doch so viele Mädchen auf einmal wie jetzt, dass sei ein Novum.

Regierung steht Gewalt hilflos gegenüber

Boko Haram sei eine Bewegung muslimischer junger Leute, sagte Hussaini Abdou, Landesdirketor der Organisation "Action Aid Nigeria" 2011 tagesschau.de. "Sie lehnen westliche Erziehung ab. Die Radikalisierung hängt stark mit der schlechten wirtschaftlichen Lage zusammen. Boko Haram ist zum Sammelbecken geworden für junge Leute ohne Bildung, ohne Job."

Sekten-Gründer Yusuf habe bei der Gründung die weit verbreitete Korruption staatlicher Einrichtungen, den Machtmissbrauch der Sicherheitsorganer und die sich an den Ölvorkommen des Landes bereichernden politischen Eliten angeprangert, heißt es beim wissenschaftlichen Dienst des Bundestages. "Vielfach wird Boko Haram auch als Symptom innenpolitischer Probleme und ihre Aktvitäten als regional gegen Korruption und ein wachsendes ökonomisches Nord-Süd-Gefälle gerichtet begriffen", heißt es in einem Papier des Dienstes.

Die Regierung von Nigeria jedenfalls steht der Gewalt zunehmend hilflos gegenüber – und muss sich dafür auch viel Kritik gefallen lassen. Im Fall der entführten Schulmädchen jedenfalls nahm das Land die Hilfe der US-Regierung gerne an. Washington werde Geheimdienstinformationen mit Abuja austauschen. Zudem soll offenbar Sicherheitspersonal zur Unterstützung der nigerianischen Suchtrupps entsandt werden.

(das)
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