Die mutmaßlichen Attentäter von Paris Wer sind Chérif und Saïd Kouachi?

Paris · Die Brüder Chérif und Saïd Kouachi waren keine Unbekannten für die Polizei. Nach und nach kommen nun mehr Details über die beiden Männer algerischer Abstammung heraus.

 Dieses Fahndungsbilder der Kouachi-Brüder hatte die französische Polizei nach dem Anschlag veröffentlicht.

Dieses Fahndungsbilder der Kouachi-Brüder hatte die französische Polizei nach dem Anschlag veröffentlicht.

Foto: afp, RAB

Die Aufnahmen zeigen einen jungen Mann in Jeans und T-Shirt, der lässig durch die Straßen von Paris schlendert, sich mit Freunden trifft, um Rap-Musik zu hören. 2005 zeigte der französische Sender France 3 eine Reportage über die radikale Islamisten-Szene, in der der damals 22-jährige Chérif Kouachi über seine Indoktrinierung durch einen Hassprediger berichtete.

Er schien ein Beispiel dafür, dass die Wachsamkeit der Behörden das Schlimmste verhindert hatte: Bevor sich Kouachi 2005 in den Irak absetzen konnte, um dort auf Geheiß seines Mentors gegen die Amerikaner zu kämpfen, wurde er festgenommen. Seinem Sozialarbeiter erzählte er damals, er sei froh, dass man ihn vom Weg in den Dschihad abgehalten habe. Aber seit Mittwoch gilt der heute 32-Jährige gemeinsam mit seinem Bruder Saïd (34) als Hauptverdächtiger des Attentats auf das Satireblatt "Charlie Hebdo".

Rap, Mädchen, Alkohol und Cannabis

Chérif, der den Spitznamen Abou Issen trägt, wird 1982 als Sohn algerischer Einwanderer in Paris geboren. Mit zwölf Jahren verliert er beide Eltern und kommt in ein Waisenhaus im bretonischen Rennes. Mit Anfang 20 ist er zurück in Paris, ohne echte Perspektive für sein Leben. Er jobbt als Pizzabote, interessiert sich für Mädchen und Rap, konsumiert Alkohol und Cannabis. Damals muss er gemeinsam mit seinem älteren Bruder in Kontakt mit dem radikalen islamischen Prediger Farid Benyettou gekommen sein, der im Dunstkreis einer inzwischen abgerissenen Moschee im 18. Arrondissement von Paris junge Männer für den Kampf im Irak anheuerte.

Die Vorbereitung für die Reise in den "Heiligen Krieg" fiel amateurhaft aus: ein paar Joggingrunden im Park, eine Einweisung mit Papier und Bleistift in die Handhabung einer Kalaschnikow. Die ideologische Indoktrinierung war dagegen weit intensiver und hinterließ ihre Spuren. Zwar gab sich Chérif vor Gericht reuig, aber einer seiner Zellengenossen berichtete von hasserfüllten Drohungen gegen Juden. "Er redete von nichts anderem mehr."

Auch nach seiner Haftentlassung blieb der junge Mann deswegen unter Beobachtung. Nach außen wirkte er zwar wie geläutert. Er fand eine Anstellung als Fischverkäufer in einem Supermarkt unweit von Paris. Aber er hielt weiter Kontakt zu seinen Bekannten aus der Islamisten-Szene. Einer von ihnen, Boubaker al-Hakim, gilt heute als eine der Führungsfiguren der Terrormiliz "Islamischer Staat".

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2010 wurde Chérif verdächtigt, gemeinsam mit seinem Bruder Saïd die Befreiung von Smaïn Aït Ali Belkacem geplant zu haben, einem Mitglied der algerischen Terror-Organisation Gia, das 2002 für das Bombenattentat auf einen RER-Schnellbahnhof im Herzen von Paris 1995 zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Aber man konnte den Brüdern nichts nachweisen. Seither sind die beiden Männer nicht mehr auffällig geworden — bis zum Anschlag auf "Charlie Hebdo".

Saïd Kouachi soll im Jemen gewesen sein

Über die Radikalisierung seines Bruders war zunächst weit weniger bekannt. Der 34-jährige Saïd Kouachi ist verheiratet, hat ein Kind und lebte in Reims, wo er regelmäßig die Moschee besucht haben soll. Der Zeitung "Libération" sagte ein Mitglied der Gemeinde, er sei immer still gewesen und habe sich auf Distanz zu anderen Gläubigen verhalten. Nachbarn berichten, die Familie sei "sehr diskret" gewesen und hätten wie Durchschnittsbürger gewirkt.

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Inzwischen gibt es allerdings neue Erkenntnisse aus den USA, nach denen Saïd Kouachi vor einigen Jahren in den Jemen zu einem Terrortraining gereist sei. Dort ist ein Ableger der Terrororganisation Al Qaida aktiv. Diese Informationen decken sich auch mit den Aussagen einiger Augenzeugen, die angaben, dass die beiden Attentäter sich zu Al Qaida im Jemen bekannt haben sollen. Ein französischer Sicherheitsbeamter sagte, die Angaben würden derzeit noch geprüft — auch, ob die Terrorzelle den Anschlag in Paris befohlen habe, auch wenn es derzeit keine Hinweise darauf gebe.

Dass die Attentäter "ganz eindeutig eine Art militärisches Training erhalten" hätten, sagte auch ein Polizeiexperte mit Blick auf die Videoaufnahmen von dem Attentat. Das sei an der Art zu sehen, wie sie die Waffen hielten und dass sie Schüsse einzeln und nicht in Salven abgegeben hätten.

Nach Angaben eines ranghohen Anti-Terror-Beamten in Washington sollen die Kouachi-Brüder zudem auf der No-Fly-Liste der USA gestanden haben. Aufgrund dieser Flugverbotsliste hätten die beiden nicht in die USA reisen dürfen. Vor dem Hintergrund der Verurteilung von Chérif Kouachi im Jahr 2008, weil er dabei geholfen hatte, Kämpfer in den Irak zu schleusen, ist dies nicht ungewöhnlich.

Auch hatte der französische Innenminister Bernard Cazeneuve dem Radiosender Europe 1 gesagt, dass die Brüder überwacht worden seien, aber es habe kein Verfahren gegen sie gegeben. Und es habe kein Element gegeben, das auf einen bevorstehenden Anschlag hingedeutet hätte.

(das)
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