Terrorverdächtiger bei Demo in Köln

Ein mutmaßlicher Hintermann des Bombenanschlags auf Bali 2002 hat sich am Dienstag unter die Demonstranten der rechtspopulistischen Partei Pro NRW gemischt. Der Islamist, der auf freiem Fuß in Berlin lebt, hatte sich gegenüber der Polizei als Journalist ausgewiesen.

Köln Bei der Demonstration der rechtspopulistischen Partei Pro NRW vor der Moschee in Köln-Ehrenfeld hat sich ein weltweit bekannter Islamist und Hassprediger unter die rechten Aktivisten gemischt. Während der Kundgebung am Dienstag hatte sich Reda Seyam nach Polizeiangaben mit einem Mikrofon vor den Spitzenkandidaten der Rechtspopulisten für die Landtagswahl gedrängelt und ihn gefragt, was er gegen Muslime habe – eine Antwort auf seine Frage erhielt er nicht.

Der 51-jährige Reda Seyam wurde vom amerikanischen Geheimdienst CIA verdächtigt, für den Bombenanschlag auf Bali vor zehn Jahren verantwortlich gewesen zu sein, bei dem 202 Menschen getötet wurden. Zwei Angeklagte hatten damals ausgesagt, von Seyam beträchtliche Summen Geld erhalten zu haben, um die Anschläge finanzieren und verüben zu können. Tatsächlich fanden die indonesischen Ermittler auf einer seiner Festplatten Belege für Überweisungen einer hohen Geldsumme an den Hauptangeklagten. Zudem soll er sich während des Anschlags auf Bali aufgehalten haben. Zur Anklage gegen ihn kam es dennoch nie. Das Bundeskriminalamt (BKA) überführte ihn stattdessen nach Deutschland, um ihn, wie es damals hieß, vor einem "Geheimgefängnis" ausländischer Geheimdienste zu bewahren. Der gebürtige Ägypter, der mittlerweile die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen hat, lebt seitdem in Berlin und soll Gemeindevorsteher der berüchtigten "As Sahaba"-Moschee in Berlin-Wedding sein, in der nach Expertenmeinungen in Gebeten zum Terror aufgerufen wird. Ihm werden Kontakte zu al Qaida nachgesagt. Nachweisen konnte man ihm dies bislang aber nicht.

Bei der Kundgebung der Rechtspopulisten in Köln gab sich der Deutsch-Ägypter bei der Polizei als Journalist aus. Anfangs wussten die Beamten nicht, wer vor ihnen stand. Aufgrund seines Erscheinungsbildes – langer Bart und schwarz gekleidet – überprüften die Polizisten seinen Presseausweis. "Da gab es nichts zu beanstanden. Der war korrekt ausgestellt", sagt ein Polizeisprecher. "Gegen den Mann besteht kein Haftbefehl. Er darf sich also frei bewegen." Seinen Rucksack kontrollierten die Polizisten dennoch nach verdächtigen Gegenständen, ehe sie ihn in Begleitung von zwei Beamten durch die Absperrungen ließen. Angeblich soll Seyam als Fernsehreporter für den arabischen Sender al-Dschasira arbeiten. Die Polizei konnte das jedoch nicht bestätigen.

In Köln hatten am Dienstag rund 300 Gegendemonstranten gegen Pro NRW protestiert, darunter rund 50 Salafisten. Nachdem in Bonn am vergangenen Wochenende zwei Polizisten bei einem Aufeinandertreffen zwischen Salafisten und Rechtspopulisten durch Messerstiche schwer verletzt worden waren, konnte die Polizei in Köln Anhänger beider Lager mit einem Großaufgebot auf Distanz halten. Zudem verhängte die Polizei an diesem Tag für einige Salafisten ein Einreiseverbot in die Stadt – offenbar jedoch nicht für Reda Sayem. "Wir hatten keine Kenntnis darüber, dass er nach Köln kommt", erklärt ein Polizeisprecher. Auch das nordrhein-westfälische Innenministerium wusste offenbar nichts. "Mir liegen diesbezüglich keine Informationen vor", sagt ein Ministeriumssprecher. Auch das Bundeskriminalamt gibt bislang keine Auskünfte über den 51-Jährigen. Zu der Frage, wieso sich Sayem trotz seiner Vorgeschichte seit Jahren anscheinend unbehelligt in Deutschland bewegen kann, will man sich auch beim Bundesamt für Verfassungsschutz nicht äußern. Dort heißt es lediglich, dass "man die Szene im Blick" habe. Andere Behörden schweigen ebenfalls, wenn es um den Deutsch-Ägypter geht.

Seyam, der schon Propagandafilme für Dschihadisten in Bosnien gedreht haben soll, hat sich in den vergangenen Jahren bei den hiesigen Salafisten einen Namen als Missionar gemacht. Ihm wird auch eine maßgebliche Rolle bei der Verteilung der ins Deutsche übersetzten Korane nachgesagt. Derzeit wohnt Reda Seyam mit seiner Frau und seinen Kindern in Berlin. Die Familie bezieht Hartz IV. Der Islamist sorgte zuletzt vor drei Jahren für bundesweite Schlagzeilen, weil er gerichtlich durchsetzen wollte, seinen zweitjüngsten Sohn den Vornamen Dschihad (ein arabisches Wort, das unter anderem zum bewaffneten Kampf gegen Ungläubige aufruft) geben zu dürfen. Zunächst bekam er recht. Nach einem Einspruch des damaligen Berliner Innensenators musste er den Namen seines Sohnes jedoch in die abgemilderte Form Djehad ändern.

(RP)
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