Stadt Willich Wege aus der Angst

Stadt Willich · Der Selbstmord von Robert Enke machte das Thema aktueller denn je. Die Willicher Selbsthilfegruppen hatten zu einer Infoveranstaltung über Wege aus Angst, Panik und Depression geladen. Einige Betroffene berichteten.

Die Willicher Selbsthilfegruppen "Angst, Panik und Depressionen" hatten zu ihrer Informations-Veranstaltung auch Ärzte eingeladen. Wie den in Willich praktizierenden Facharzt für Neurologie und Nervenheilkunde, Alfred Sudau (52). Er betonte: "Denken Sie immer daran, ich heile Sie nicht, Sie heilen sich." Rund 60 Interessierte und Betroffene waren gekommen, zumeist Frauen. Etwa eine besorgte Mutter, die bei ihrer 20-jährigen Tochter Verhaltensauffälligkeiten festgestellte hatte. "Sie ist oft verängstigt, fühlt sich unter anderem beim Autofahren ständig verfolgt." "Ihre Tochter muss erst einmal die Einsicht haben, sich helfen zu lassen", gaben ihr die Experten mit auf den Weg.

"Ich möchte Ihnen Mut machen, mit ihren Ängsten offensiv in der Familie und im Freundeskreis umzugehen", sprach Alfred Sudau von einem harten, steinigen und langen Weg. Was ein anderer Diskussionsteilnehmer nur bestätigen konnte: "Einige vermeintlich gute Freunde haben mich gemieden, als ich ihnen meine Depressionen schilderte. Sie konnten damit überhaupt nichts anfangen."

Nach der Kündigung depressiv

Bereits im Frühjahr hatten die drei Willicher Selbsthilfegruppen mit etwa 35 Frauen und Männer, die sich zumindest einmal wöchentlich treffen, mit der Vorbereitung der Info-Veranstaltung begonnen. Leiter der Gruppen sind Menschen, die ihre Ängste, Panikattacken und tiefen Depressionen jahrelang aushalten mussten. Wie der 58-jährige Wilfried Ludewig, der offen über seinen Weg aus der Angst sprach. Dem ehemaligen Abteilungsleiter in einem Foto-Labor war in einem stressigen Umfeld – "mit zahlreichen Mobbing-Attacken" – vor Jahren gekündigt worden. Er ließ sich ärztlich behandeln, machte Verhaltenstherapien und gab seinem Leben wieder einen Sinn. Er leitete über das Freiwilligen-Zentrum EDV-Kurse für Senioren oder half bei der "Lebenshilfe". Bis heute nimmt er Antidepressiva.

"Was tut man bei einer Panik-Attacke?", wollte ein Besucher wissen. "Halten Sie diese aus, denken Sie an etwas Schönes, trinken Sie kaltes Wasser, denn das verringert das Herzklopfen", war der Ratschlag des Arztes, der die Anzahl der jährlichen Selbsttötungen in Deutschland auf mehr als 10 000 und die Dunkelziffer auf etwa 150 000 bezifferte. Im Straßenverkehr seien es in Deutschland jährlich 5500 Verkehrstote: "Und dafür wird viel mehr getan", kritisierte der Nervenarzt.

Natürlich kamen die Diskussionsteilnehmer im Laufe der Veranstaltung auch auf die Selbsttötung von Fußball-Nationaltorhüter Robert Enke zu sprechen. "Das Volk ist betroffen, machte seine Gedenkminute und kehrt dann wieder zum Alltag zurück", war ein Kommentar zu diesem Thema.

Keine "Geisterfahrer"

Die vielen kleinen Ereignisse, Enttäuschungen oder beruflichen Nackenschläge, die zu Depressionen führen könnten, fasste der Neurologe noch wie folgt zusammen: "Viele meiner Patienten meinen, dass sie die Geisterfahrer sind. Dabei sind aber viele, die ihnen im Laufe der Zeit entgegen gekommen sind, die wirklichen Geisterfahrer."

(RP)
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