Niederrheinmuseum Wesel beleuchtet Weimar Eine Schau über das neue Denken

Niederrhein · Das LVR-Niederrheinmuseum Wesel zeigt ab Sonntag die Ausstellung „Von Wilhelm nach Weimar“. Sie befasst sich mit Brüchen und Neuanfängen nach dem Ersten Weltkrieg: Revolution, Demokratie, Republik und Bauhaus-Architektur.

 Thomas Ohl vom LVR-Niederrheinmuseum Wesel stellte als Projektleiter die neue Sonderausstellung „Von Wilhelm nach Weimar“ vor.

Thomas Ohl vom LVR-Niederrheinmuseum Wesel stellte als Projektleiter die neue Sonderausstellung „Von Wilhelm nach Weimar“ vor.

Foto: Fritz Schubert

Was haben Wesel, der Niederrhein oder überhaupt der Westen mit Bauhaus-Architektur zu tun? Nichts, möchte man meinen, wird aber schnell eines Besseren belehrt. Professor Thomas Schleper vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) betrachtet die Werkbund-Ausstellung von 1914 in Köln als richtungsweisend für den Stil, der mit der 1919 in Weimar gegründeten Kunstschule zum Symbol eines neuen Denkens wurde. Die Geburtstagsfeier des Ereignisses will auch NRW nicht allein „dem Osten“ überlassen. Mehr als 40 Veranstaltungen zu „100 Jahre Bauhaus im Westen“ finden statt. Eine davon startet am Sonntag, 3. Februar, in Wesel.

„Von Wilhelm nach Weimar – Zwischen Monarchie und Republik“ heißt die Sonderausstellung des Niederrheinmuseums Wesel, die sich als Bindeglied zwischen zwei großen Projekten des LVR versteht: der 2014 gestarteten Reihe „1914 – Mitten in Europa. Das Rheinland und der Erste Weltkrieg“ und dem Bauhaus-Programm. „Wir sind froh, besondere Akzente setzen zu können“, sagte Veit Veltzke, Leiter des Weseler Hauses, am Dienstag bei einer Präsentation im laufenden Aufbau. Behandelt wird die Zeit von 1888, als Wilhelm II. Kaiser wurde, bis in die Mitte der 20er Jahre. Schwerpunkte sind die Geschehen am Niederrhein und im nahen Ruhrgebiet.

 Paradebeispiel für Bauhaus-Stil: das Einrichtungshaus der jüdischen Familie Zaudy in Wesel, in der Pogromnacht 1938 von Nationalsozialisten verwüstet

Paradebeispiel für Bauhaus-Stil: das Einrichtungshaus der jüdischen Familie Zaudy in Wesel, in der Pogromnacht 1938 von Nationalsozialisten verwüstet

Foto: Fritz Schubert

Projektleiter Thomas Ohl hat viele Anküpfungspunkte beim letzten deutschen Kaiser gefunden. So wird unter anderem gerade der Balkon des Rathauses von Geldern nachgebaut, auf dem Wilhelm II. 1913 stand. Darunter werden auf einem Monitor Aufnahmen des Hoffotografen zu den Ereignissen gezeigt. Weitere Exponate dokumentieren die Bemühungen des Herrschers, sich gerade im Westen als ausgleichendes Element zwischen den Konfessionen zu geben. Ein Porträt zeigt Walther von Loë (Stammsitz Haus Wissen, Weeze), den einzigen katholischen General. Weitere Stücke zeigen Besuche Wilhelms bei der Arbeiterschaft an der Ruhr. Auch gibt es als besonders seltenes Exponat eine blecherne Wahlurne mit kaiserlichem Emblem zu sehen – und mit Schlitz. Sie steht für eine noch zu Kaisers Zeit eingeführte Neuerung, die heute selbstverständlich ist: geheime Stimmabgabe.

Zur Aufarbeitung gehören natürlich die Unruhen zum Ende des Ersten Weltkriegs und das Erwachen der verschiedensten politischen und sozialen Strömungen, die Besetzung weiter Gebiete durch belgische Truppen, die Hyperinflation, Wahlkämpfe, Straßenkämpfe und auch der Versuch, eine Rheinische Republik auszurufen. Mehr Mitbestimmung, Frauenrechte und eine empfindliche Demokratie bestimmen die Zeit, die dennoch so unheilvoll auf die nächste, noch größere Kriegskatastrophe zusteuert. Ein Beispiel gibt das von Gerrit Rietveld im Bauhaus-Stil entworfene Einrichtungshaus der jüdischen Familie Zaudy an der Brückstraße in Wesel. Es wurde in der Pogromnacht 1938 von Nationalsozialisten verwüstet.

Eine kleinere Version der Schau ist später als Wanderausstellung für Schulen, Heimat- und Geschichtsvereine vorgesehen.

Das LVR-Niederrheinmuseum Wesel ist dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Eintritt: 4,50 Euro, ermäßigt 3,50; Kinder und Jugendliche frei; Familien mit zwei Minderjährigen acht Euro. www.niederrheinmuseum-wesel.lvr.de

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