Auf Tour mit dem Pilzexperten in Wermelskirchen Pilze in den Startlöchern

Wermelskirchen · So ein schlechtes Pilzjahr hat Pilzsachverständiger Wilfried Collong seit Jahrzehnten nicht erlebt. Aber: Noch ist nichts verloren. Eine Pilzwanderung.

 Der Fliegenpilz gehört zu den giftigen Pilzarten und ist auch in den bergischen Wäldern verbreitet.

Der Fliegenpilz gehört zu den giftigen Pilzarten und ist auch in den bergischen Wäldern verbreitet.

Foto: Demski/Theresa Demski

Es ist einer dieser warmen Oktobertage. Auf dem Wanderparkplatz an der Pohlhausener Straße herrscht Hochbetrieb. „Eigentlich ist hier nicht viel los“, sagt Wilfried Collong. Aber heute nutzen viele Spaziergänger und Hundehalter die Sonne, die den Wald in bunten Herbstfarben glänzen lässt. Wilfried Collongs Blick ist aber weniger in die hohen Baumkronen als konzentriert auf den Boden gerichtet. „Sonst wachsen hier zu dieser Zeit unzählige Pilze“, sagt er und deutet auf den Waldboden. Er geht querfeldein, sucht und inspiziert und ahnt doch: „Es sind nur wenige Pilze zu sehen.“ Denn kaum einer hat schon die sichtbaren Fruchtkörper gebildet und der Grund liegt nahe: „Ihnen fehlt das Wasser“, sagt der Pilzsachverständige, „so ein schlechtes Pilzjahr habe ich seit Jahrzehnten nicht erlebt.“ Und doch: Aufgegeben hat Wilfried Collong noch nicht. Man spüre geradezu, wie die Fruchtkörper der Pilze in den Startlöchern stecken, sagt er. Ein paar Tage Regen und die Saison sei noch zu retten.

Dann bleibt der Wermelskirchener Pilz-Experte, der auch dem „Mykologischen Arbeitskreis Bergisches Land“ angehört, plötzlich stehen, deutet zum Boden und kniet sich hin: ein Rotfußröhrling. „Er gehört zu den Symbionten, die in einer für Baum und Pilz nützlichen Gemeinschaft leben“, sagt Collong. In diesen Zeiten eine wertvolle Partnerschaft.

 Wilfried Collong ist Pilzsachverständiger.

Wilfried Collong ist Pilzsachverständiger.

Foto: Demski/Theresa Demski

Ohnehin offenbart sich beim genaueren Hinsehen ein Wunder der Natur: Symbionten leben in der Nähe der Bäume. Weil es ihnen deutlich leichter fällt, Mineralien und Wasser aufzunehmen, versorgen sie den Baum gleich mit. Der revanchiert sich mit Kohlenhydraten. Ein Geben und Nehmen, das unter der Erdoberfläche stattfindet und das es dem Menschen bis heute unmöglich macht, diese Pilze zu züchten.

Als Wilfried Collong bedacht den Abhang zum Wasser hinuntergeht, entdeckt er den ersten Fliegenpilz – auch ein Symbiont. Ob er jeden Pilz kenne, den er entdecke? Der Sachverständige lacht. „Es gibt 9000 Großpilze in Deutschland, rund 4500 in NRW“, sagt er, „das ist in einem Leben nicht zu schaffen.“ Wenn er einen entdeckt, der ihm bisher nicht untergekommen ist, wird es spannend. Er nimmt ihn mit, gleicht ihn ab, studiert und berät mit den Kollegen im Arbeitskreis und nimmt ihn dann in seine Aufzeichnungen auf.

Am Bachlauf, der nur noch ganz wenig Wasser führt, entdeckt Collong schließlich eine ganze Kolonie von Hallimasch – ein Pilz, der sich am Baum als Parasit bedient und deswegen auch in trockenen Zeiten am ehesten eine Chance hat. Auch auf den gefallenen Baumstämmen, die generell ein „Eldorado für Pilze“ seien, sind einige Fruchtkörper zu finden, da Holz besser als der Boden Feuchtigkeit zu speichern vermag.

Auf der anderen Seite des Bachbettes entdeckt der Pilzsachverständige dann ein Stockschwämmchen. „Ein guter Speisepilz“, sagt er – auch wenn es ihm selber weniger um kulinarische Aspekte geht und mehr um die Wissenschaft. Dann ergänzt er schnell: „Achtung, dieser Pilz hat einen gefährlichen Doppelgänger.“ Denn der hochgiftige Gifthäuptling sieht dem Stockschwämmchen zum Verwechseln ähnlich und unterscheidet sich lediglich durch kleine Schüppchen am Stil.

Apropos Vergiftung: Die meisten Pilzvergiftungen seien die unechten, sagt Collong. Dann seien Pilze bereits überständig gewesen oder nicht lang genug gegart worden.

Der Weg führt schließlich zurück Richtung Parkplatz. Immer öfter tauchen nun am Wegesrand Hallimasch auf, dann ein Milchling und ein Stäubling. „Man sollte mit Bedacht Pilze sammeln“, sagt Collong. Schließlich sollen sie auch Gelegenheit haben, sich zu vermehren.

Und dann kommt der Profi noch auf eines dieser Naturwunder zu sprechen: „Pilze haben durch die Lamellen, Röhren und Poren eine Möglichkeit gefunden, ihre Oberfläche zu vergrößern. Das bedeutet: Mehr Sporen und mehr Vermehrungsmöglichkeiten.“ Das Staunen hat der Pilzsachverständige auch nach all den Jahren im Wald nicht verloren.

Und als er den Parkplatz fast erreicht hat, entdeckt er am Wegesrand dann doch noch den Steinpilz. Da strahlt Wilfried Collong und beschließt: „Das Pilzjahr ist noch nicht verloren.“

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