Billard-WM in Viersen 2013 Deutschland wird erneut Vizeweltmeister

Billard · In der Neuauflage des Vorjahres-Endspiels unterlag Deutschland erneut gegen den Favoriten. Der Frust wich jedoch schon bald der Zufriedenheit. Im kommenden Jahr könnte es endlich Preisgelder für die Profis geben.

 Die deutsche Fahne hängt an der falschen Stelle – links für den zweiten Platz. Dementsprechend enttäuscht ist auch der Blick von Martin Horn (l.) bei der Siegerehrung. Die Belgier Eddy Merckx (3.v.l.) und Frédéric Caudron (4.v.l.) haben nach ihrem Sieg gut lachen.

Die deutsche Fahne hängt an der falschen Stelle – links für den zweiten Platz. Dementsprechend enttäuscht ist auch der Blick von Martin Horn (l.) bei der Siegerehrung. Die Belgier Eddy Merckx (3.v.l.) und Frédéric Caudron (4.v.l.) haben nach ihrem Sieg gut lachen.

Foto: Busch sen.

Als das schon fast unvermeidliche Feier-Lied "Tage wie diese" von den Toten Hosen in etwas zu hoher Lautstärke durch die Festhalle schallte, standen Martin Horn und Christian Rudolph noch auf der Bühne, die Silbermedaille um den Hals.

Es war der falsche Song zum falschen Zeitpunkt, denn dem Duo war nicht so richtig nach Feiern zumute. Sie schüttelten Hände, machten Fotos, versuchten, sich ein Lächeln abzuringen. "Silber ist schön und gut", sagte Horn. "Alle gratulieren, man bekommt Schulterklopfer. Aber eigentlich möchte ich auch mal ganz oben stehen."

Der Frust ist verständlich. Denn bei der zweiten Finalteilnahme in Folge reichte es für Horn gegen Belgien wieder "nur" zum zweiten Platz. Im Vorjahr unterlag der 42-Jährige zusammen mit Stefan Galla, in diesem Jahr stand Christian Rudolph an seiner Seite.

Der verlor gegen Frédéric Caudron, der wahrscheinlich besten Nummer zwei des Turniers, 30:40. Weil Horn zum gleichen Zeitpunkt gegen Eddy Merckx "nur" 32:31 in Führung lag, war der WM-Traum ausgeträumt — in der Gesamtrechnung lag Belgien uneinholbar vorne.

"Caudron ist an zwei fast unschlagbar", sagte Horn anerkennend. Rudolph hatte seinem Gegner eine starke Partie geboten, zwischenzeitlich sogar ausgeglichen. Doch dann leistete er sich eine Auszeit — die Caudron eiskalt ausnutzte und davon zog. "Ich war klarer Außenseiter", sagte Rudolph.

"Aber ich konnte ihn unter Druck setzen. Dann habe ich nachgelassen, während er zugelegt hat. Das war schade. Wenn ich konstant gut gespielt hätte, wäre mehr drin gewesen." Horn hingegen hatte schlecht angefangen und sich immer mehr in die Partie gekämpft. Zu groß war der Wille, beim "Heimspiel" in Viersen etwas zu reißen.

Trotz der Niederlage im Endspiel — sportlich war die Leistung des deutschen Teams, das als Außenseiter in das Turnier gegangen ist, aller Ehren wert. "Wir haben uns etabliert, ich gehe mit einem guten Gefühl aus dem Turnier", sagte Martin Horn. "Aber vielleicht ist es jetzt ein kleiner Fluch, wir spielen gut — holen aber keine Titel."

Vor allem im Viertel- und Halbfinale zeigte Horn seine Form, spielte starke Serien gegen Österreich und die Türkei. Und weil Rudolph ebenfalls in starker Form agierte, war die Medaille hochverdient.

Für Wolfgang Rittmann, Ehrenpräsident der Deutschen Billard-Union, war der zweite Platz ein tolles Ergebnis. "Davon war nicht auszugehen", sagte der Bottroper. Rittmann war mit der WM hochzufrieden. Vor allem mit dem neuen Modus, seit diesem Jahr wurde erstmals bis 30 (Vorrunde) und 40 (ab Viertelfinale) statt im Satzmodus gespielt.

"So ist vor allem auch für die Zuschauer leichter zu verstehen, wie es steht", sagte Rittmann. "Außerdem ist gewährleistet, dass Partien in 60 bis 90 Minuten vorbei sind. Die Mammutspiele von bis zu vier Stunden sind erst mal vorbei."

Die Moderne hält Einzug in Viersen. Und es wird höchstwahrscheinlich nicht die letzte Neuerung sein. Der WM-Vertrag mit Viersen läuft zwar nur noch nächstes Jahr, Rittmann machte jedoch keinen Hehl daraus, dass die Verlängerung fast nur Formsache ist. "Da alle beteiligten Parteien weitermachen wollen, wird man sich an einen Tisch setzen", sagte Rittmann, der sich zudem Hoffnung macht, dass bei der nächsten Weltmeisterschaft ein weiterer Missstand ausgeräumt sein wird.

"Wir müssen mal über die Preisgelder reden", betonte der Ehrenpräsident. Denn das WM-Turnier in der Festhalle ist das einzige Profi-Turnier, bei dem die besten Billard-Spieler nur um Ruhm und Ehre spielen — und ihren Ärger darüber auch offen kundtun. "Ich denke, dass sich in der Hinsicht etwas ändern wird", betonte Rittmann, es werde Gespräche bezüglich erhöhter Preisgelder geben.

Was bedeuten würde, dass die Mannschafts-WM in Viersen bei der nächsten Auflage in der Festhalle finanziell den Stellenwert bekommt, den das Turnier emotional längst hat. Denn die Spieler, sie kommen auch ohne Belohnung (noch) gerne nach Viersen. "In meinem zweiten Wohnzimmer bin ich immer gern", schrieb Christian Rudolph in das Goldene Buch der Stadt.

(RP/jco)
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