Seniorengemeinschaft in St. Tönis Zusammenhalt im Mertenshof

St. Tönis · 2018 haben die ersten Mieter die neuen Seniorenwohnungen im Mertenshof in St. Tönis bezogen. Welch eine Gemeinschaft aus den Bewohnern geworden ist, zeigte sich besonders während des Corona-Lockdowns.

 Ursula Herchenbach (li.) und Elke Amelung haben ihren Einzug nicht eine Sekunde bereut.

Ursula Herchenbach (li.) und Elke Amelung haben ihren Einzug nicht eine Sekunde bereut.

Foto: Norbert Prümen

Elka Amelung war aus der Gruppe die erste, die während des Corona-Lockdowns Geburtstag hatte. Gegen 9 Uhr hörte sie am 3. April von draußen ihren Namen, von unten, gegenüber, nebenan – ihre Nachbarn riefen die 77-Jährige auf ihren Balkon. Als sie dort stand und in den Hof blickte, sangen die anderen für sie „Happy Birthday“. „Das war so schön“, erinnert sich Amelung. In dieser für viele schwierigen Zeit waren die Mieter der Seniorenwohnungen im Mertenshof in St. Tönis zwar jeder für sich allein, aber nicht einsam.

Amelung bezog im Mai 2018 ihre Zwei-Zimmer-Wohnung im ersten Stock. Ihr Mann war gestorben und das Haus in Forstwald für sie alleine zu groß geworden. Den Mertenshof kannte sie von Karnevalsveranstaltungen, die dort einst gefeiert wurden. Am Tag des Einzugs stand Ursula Herchenbach vor ihrer Tür und hieß sie willkommen. Seitdem sind die beiden Freundinnen.

Herchenbach hat die alten Räume des Seniorenvereins „Alter-nativen“ im Erdgeschoss bezogen. Damit ist sie schon alleine räumlich häufig die erste Anlaufstelle für die Mieter und Besucher. Zudem war die 76-Jährige aber auch die Erste, die im März 2018 einzog. Im Hof lag noch Bauschutt, die Wohnung hatte sie vorher nur auf Fotos gesehen – aber nicht eine Sekunde gezögert. „Sie war wie für mich gemacht“, sagt sie.

Im historischen Gemäuer des Mertenshofs an der Kirchstraße 14 sind in den beiden Seitenflügeln zwölf seniorengerechte Wohnungen zwischen 36 und 80 Quadratmetern entstanden. In zehn davon leben seitdem auch Senioren – Einzelpersonen und ein Paar im Alter von Mitte 70 bis Ende 90 –, in den beiden anderen etwas jüngere Menschen.

Als die ehemalige Schulleiterin Herchenbach ihre beruflichen Projekte abgeschlossen hatte, verließ sie ihre Heimat am Bodensee und wagte den Umzug an den Niederrhein. Hier lebt einer ihrer Söhne mit seiner Familie. Ihr neues Zuhause liegt zentral, nur einen Steinwurf von der Fußgängerzone entfernt. In fünf Minuten ist sie beim Arzt, der Friseur kommt für Termine her. Mit dem Büro der „Alter-nativen“, das nun in anderen Räumen im Mertenshof untergebracht ist, findet sie sie Immobilie „ideal“.

Denn beide Frauen wollten im Alter zwar die Möglichkeit zum Rückzug haben, aber nicht alleine sein. „Man zieht hier hin, damit man gezwungen ist, auf andere zuzugehen“, sagt Herchenbach. Amelung ergänzt: „Ich kann ruhig wohnen, aber wenn ich raus gehe, bin ich mitten im Leben.“

Vor der Corona-Pandemie besuchten sich die Senioren regelmäßig gegenseitig, trafen sich zum Kartenspielen und Waffelbacken oder gingen zu den Angeboten der „Alter-nativen“. Der eine brachte dem anderen etwas vom Markt mit, der nächste half beim Gärtnern, jeder Geburtstag wurde gemeinsam gefeiert. Im Lockdown saßen sie auf ihren Balkonen oder Terrassen und unterhielten sich aus der Ferne. Versorgt wurden sie von ihren Familien oder Einkaufsdiensten wie dem der evangelischen Kirche.

„Wir haben es bislang gut durch die Krise geschafft“, sagt Amelung. Keiner der Mieter sei erkrankt, aber das ist nicht alles, worauf die 77-Jährige anspielt. In der Krise nicht alleine sein – „das können Sie nur hier“, sagt sie. Die Mietkosten für die Luxus-Wohnungen seien „nicht niedrig, aber es wird vieles geboten“, sagt Amelung. Das sei es ihr wert.

Inzwischen kommen sich die Senioren durch die Lockerungen der Corona-Schutzverordnung wieder ein bisschen näher. Am vergangenen Wochenende haben sie draußen an einer langen Tafel wieder ein gemeinsames Waffelessen veranstaltet, auf Herchenbachs Terrasse finden Kartenspiele statt, und am Samstag steht der nächste Geburtstag an. In Amelungs Wohnung steht das Geschirr für eine Niederrheinische Kaffeetafel bereit.

Erfreut sind die beiden Frauen über die Planungen für das leerstehende Haupthaus. Dort möchte das Deutsche Rote Kreuz zwei Großtagespflegestellen für jeweils neun Kinder bis drei Jahre einrichten. „Die Konditionen mit dem Eigentümer sind abgestimmt“, sagt Detlef Blank, Geschäftsführender Vorstand beim DRK-Kreisverband Viersen. Schon Ende des Jahres könnte Eröffnung sein.

Mit ein bisschen Sorge blicken Herchenbach und Amelung aber auf die dunkle Jahreszeit. „Dann kann man sich nicht mehr gemeinsam draußen auf Abstand treffen“, sagt Herchenbach. Amelung scherzt: „Vielleicht können wir ein beheiztes Zelt aufstellen.“

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