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Ausstellung Aus den Visionären sind Nostalgiker geworden

Solingen/Düsseldorf · Der Bergische Kunstpreisträger Thomas Neumann stellt bis zum 19. April im Weltkunstzimmer in Düsseldorf aus.

 Ein im Weltkunstzimmer ausgestelltes Bild aus der zwischen 2012 und 2019 entstanden Serie Kolyma von Thomas Neumann.

Ein im Weltkunstzimmer ausgestelltes Bild aus der zwischen 2012 und 2019 entstanden Serie Kolyma von Thomas Neumann.

Foto: Michael Tesch

(mit) Den Beginn seines Rundgangs durch die Fotografie-Ausstellung von Thomas Neumann sollte der Besucher im hinteren Raum des Weltkunstzimmers beginnen. Denn dort zeigt der Bergische Kunstpreisträger 2010 ein Video, dass er 2017 bei einer seiner Reisen durch die ehemalige Sowjetunion aufgenommen hat. Die Handlung: In der russischen Hafenstadt Magadan stellen sich aus Anlass der 100 Jahrfeiern zur Oktoberrevolution auf einem verschneiten Platz mit großem Lenin-Denkmal rund 50 Menschen zum Gruppenfoto auf. Nach der Aufnahme löst sich die Versammlung nach und nach auf, die Tauben übernehmen wieder das Regiment auf dem Platz, bis ein Hund sie kurzzeitig vertreibt. Als der Platz sich geleert hat erscheint ein Kind, das einem von den Demonstranten zurückgelassenen roten Luftballons hinterherläuft und sich dann am Ende des Films auf ihn wirft. Unterlegt ist das Video mit Reden, die Neumann einem Tag zuvor bei einem Treffen zur Vorbereitung der kleinen Demonstration mitgeschnitten hatte.

Warum das Video am Anfang der kleinen Retrospektive des Bergischen Kunstpreisträgers stehen sollte? Weil es alle fotografischen Interessen und Themen des Künstlers in acht Minuten komprimiert. Denn Neumann untersucht in seinen Fotografien seit vielen Jahren in einer Werkreihe die ehemaligen Mythen des einstigen Sowjetimperiums – und was heute noch sichtbar von den damaligen Visionen zeugt: Landschaft, Architektur und Denkmalkultur. „In den sowjetischen Städten spürt man auch heute noch die damaligen Planungen sehr deutlich“, erzählt der Künstler. Da Neumann aber auch auf die Rückseiten der Vorzeigefassaden blickt, geht es ihm in seinen fotografischen Notizen „auch um Abbrüche und um die Überlagerungen.“ In der Ausstellung „Exakte Vertrauensgrenzen“ stellt Neumann nämlich seine aktuellen Aufnahmen den damaligen offiziellen Bilder gegenüber – diese in Form von offiziellen alten Postkarten aus den Städten, die der Künstler gesammelt hat und die er in Form einer großen Installation im Weltkunstzimmer zeigt. Und auch Exponate der Serie „Pictures from Utopia“, mit der Neumann vor zehn Jahren den Bergischen Kunstpreis erhalten hat, sind zu sehen.

Der Ausstellung in Düsseldorf mit Arbeiten von 1994 bis heute hat Neumann das Gedicht „Projektor“ von Durs Grünbein vorangestellt: „Da geht es um Licht, Wahrnehmung, Erinnerung, und das Verhältnis von Subjekt und Objekt. Für mich bedeutet es, dass man die Welt wahrnimmt und dabei gleichzeitig auch immer als Projektor unterwegs ist und seine Sicht auf alles projiziert.“ Denn, so der letzte Satz des Grünbein Gedichts: „Der Projektor bin ich“. Und der „Projektor“ Neumann dokumentiert dann in Magadan, wie aus ehemaligen Visionären bei unter 20 Grad Kälte vor einem Lenin-Denkmal rote Fahnen tragende Nostalgiker geworden sind.

Thomas Neumann wurde 1975 in Cottbus geboren. An der Düsseldorfer Kunstakademie hat er bei Bernd Becher und Thomas Ruff studiert. Die Ausstellung „Exakte Vertrauensgrenze“ ist bis zum 19. April im Weltkunstzimmer in Düsseldorf (Ronsdorfer Str. 77a) zu sehen. Ein gebundener Katalog ist im Hatje Cantz Verlag erschienen. Die Schau findet im Rahmen von Düsseldorf Photo+ statt.

www.weltkunstzimmer.de

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