Kabarettist Jürgen Becker überzeugte auf ganzer Linie "Zwischen Klüngel, Kölsch und Kirche"

Wer wusste eigentlich, dass im globalen Wettkampf der Wirtschaftssysteme der rheinische Kapitalismus die Oberhand behalten wird! Nein?! Schade, da haben die Korschenbroicher den meisten jetzt etwas voraus. Zumindest, seit Jürgen Becker ihnen dies während eines Kabarett-Abends der Extraklasse lang und breit verdeutlichte. "Zwischen Klüngel, Kölsch und Kirche": Kabarettist Jürgen Becker überzeugte auf ganzer Linie in der Korschenbroicher Aula. NGZ-Foto: L. Berns

Wer wusste eigentlich, dass im globalen Wettkampf der Wirtschaftssysteme der rheinische Kapitalismus die Oberhand behalten wird! Nein?! Schade, da haben die Korschenbroicher den meisten jetzt etwas voraus. Zumindest, seit Jürgen Becker ihnen dies während eines Kabarett-Abends der Extraklasse lang und breit verdeutlichte. "Zwischen Klüngel, Kölsch und Kirche": Kabarettist Jürgen Becker überzeugte auf ganzer Linie in der Korschenbroicher Aula. NGZ-Foto: L. Berns

Mit Vollgas brauste die Kölner Kabarett-Ikone von Beginn an los und lenkte scharfzüngig den Blick auf die Dinge, die die Leute zwar sehen, aber dennoch nicht verstehen. So ist für ihn die Debatte um die deutsche Leitkultur (diese sei seit Lübcke eh und je schon vom Tisch) auch überhaupt nicht maßgebend, das eigentliche Problem spiele sich doch ganz wo anders ab: nämlich im Kulturkampf zwischen Amerika und Europa, oder enger gefasst, amerikanischer Kapitalismus gegen das rheinische Modell.

Dabei machte er dem ahnungslosen Besucher erst mal den Unterschied zwischen den Konkurrenzsystemen auf seine Art und Weise verständlich. "Im amerikanischen Kapitalismus ist jeder seines Glückes Schmied", vergleichbar mit der jetzigen Wahl, "da hatte man auch Glück, wenn man den gewünschten Kandidaten wählte". Oder aber, das amerikanische System kenne ja keinen Neid, ohne diesen wiederum keine Altersvorsorge. "Diese brauchten sie jedoch gar nicht, sie haben ja die Todesstrafe, die ökonomisch doppelt gut sei: der, der hinrichtet, hat einen Arbeitsplatz, der Hingerichtete braucht keinen mehr."

Mit dem rheinischen Kapitalismus verhalte es sich da schon defiziler, aber auch um so gemächlicher. Streng nach dem Motto: "Man müsste mal, kann es aber auch sein lassen", vertage man das Problem und sage sich: "Lieber zu dritt trinken, als für drei zu arbeiten." In dieser Hinsicht müsse man auch bedenken, dass der rheinische Kapitalismus vom Katholizismus geprägt sei. "Und in diesem gilt mehr die Idee an sich, so wie das Zölibat ja auch mehr eine Idee geblieben ist, und nicht die strenge Umsetzung dieser." Nun sei dieses System jedoch durch Luther in Gefahr geraten, "da dieser plötzlich alles so genau nahm". Selbstverantwortung sei jetzt gefragt gewesen, "vorher galt eher Ora et Labora, was soviel heißt, wie: Komm'se heut nicht, komm'se morgen".

So verhalte es sich auch mit dem rheinischen Kapitalismus, "der plötzlich einen Angriff durch die puritanisch, protestantische Konkurrenz erleidet". Doch und hier zeige sich die ganze Gelassenheit des Rheinländers, diese selbstgewählte Askese hat im Rheinland keine Chance, denn: "Lieber zu dritt trinken, als zu dritt, na, Sie wissen schon". Becker gelang es letztendlich den Rheinländer an sich und seine Mentalität genau zu skizzieren. Zwischen Klüngel, Kölsch und Kirche fand er den Beweis, dass auf Dauer nicht der amerikanische, sondern nur der rheinische Kapitalismus die Menschheit fröhlich machen kann. Nicht umsonst folgte er nach seinem Auftritt einer rheinischen Tugend: "Freibier für alle!" HDH

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