Korschenbroich Einst Ruine, jetzt beliebter Aussichtspunkt

Grevenbroich · Der Mühlenturm ist das letzte Überbleibsel der alten Liedberger Burg. Zwei Jahrhunderte lang verfiel der Rundbau, bis Obstbauer Hans-Otto Scherer ihn ab 2008 renovieren ließ. 102 Stufen führen seither in die luftige Höhe mit toller Aussicht.

 Der Liedberger Mühlenturm wurde vom Eigentümer Hans-Otto Scherer ab 2008 saniert: Vorher war der Turm vom Verfall bedroht.

Der Liedberger Mühlenturm wurde vom Eigentümer Hans-Otto Scherer ab 2008 saniert: Vorher war der Turm vom Verfall bedroht.

Foto: Stefan Büntig

Liedberg Es sind genau 102 Stufen, die Besucher zur Aussichtsplattform des rund 19 Meter hohen Mühlenturms hinaufstapfen müssen. Der Aufstieg über die gewundene Stahltreppe führt drinnen an der dicken Quaderbausteinwand entlang, bis hinauf ins Freie. Dort oben ist die Aussicht malerisch: Schloss Liedberg, Fachwerkhäuser, Felder und Wiesen. Von so einem Ausblick konnte Hans-Otto Scherer bis 2010 nur träumen, denn erst seitdem ist der historische Mühlenturm wieder zugänglich. "Vorher war er eine Ruine. Betreten verboten", erzählt Eigentümer Scherer.

Seit 1813 ist das runde Gebäude im Besitz seiner Familie. Die Vorfahren hatten es von Franzosen ersteigert und betrieben die Mühle. "Ursprünglich war der Turm Teil der ersten Liedberger Burg", erklärt Scherer. Mittlerweile ist der Rundbau ihr letzter Überrest. 1572 war er zur Windmühle umfunktioniert worden, der untere Teil wurde zeitweise als Gefängnis genutzt. Als 1836 ein heftiger Sturm durch Liedberg fegte, rissen die Flügel von der Achse und das Dach lag komplett frei — deshalb durften die Bürger fortan nicht mehr hinauf. Der Turm verfiel, bis Hans-Otto Scherer ihn schließlich übernahm und renovierte.

"Schon als 18-Jähriger hatte ich darauf gedrängt, dass ich den Turm mal bekomme", erzählt der Liedberger Obstbauer. "Weil ich Denkmäler liebe. Und es ist mir ein Anliegen, das, was man von den Vorfahren erhält, instand zu halten." 30 Jahre musste er aber noch warten, bis er endlich Eigentümer wurde. Als es 2008 so weit war, ließ er in Zusammenarbeit mit einem Architekten ein Nutzungskonzept erstellen und das Gebäude in gut zwölf Monaten Bauzeit sanieren. Scherers Ziel: Der historische Turm sollte neben Fachwerk, Schloss und Kapelle ein weiterer Anziehungspunkt für Liedberg werden. Dahinter steckt viel Arbeit — es sei für ihn aber auch ein Vergnügen und eine Ehre gewesen, sagt er.

Unter anderem fünf Tonnen Stahl ließ er im Innern verarbeiten, die maroden Zwischendecken durch die Wendeltreppe ersetzen. Sie führt über sechs Podestebenen, von denen aus Besucher durch türähnliche Fenster hinaus schauen können. Täglich zwischen 8 und 19 Uhr haben sie die Möglichkeit, die 102 Stufen nach oben zu erklimmen und den Ausblick zu genießen.

Unten am Drehkreuz müssen sie aber erst 50 Cent einwerfen, damit sie hinein kommen. Das Angebot werde gut angenommen, erzählt der Turmbesitzer. Vor allem zu Sonnen-auf- und Sonnenuntergangszeiten kämen oft Besucher — das sei für die Anwohner manchmal eine Belastung. "Ich bin froh, dass sie die Sache so mittragen."

Scherer selbst geht meist einmal pro Woche hoch, und das nicht nur wegen der fantastischen Aussicht: Dann fegt er und sieht auch mal nach der Bausubstanz. Denn fertig renoviert ist der Mühlenturm noch nicht. "Es ist immer etwas zu tun", sagt der Landwirt. So müsse zum Beispiel innen und außen noch ausgefugt werden, ergänzt er. Was er am Drehkreuz an Eintrittsgeldern einnehme, stecke er in die Instandhaltung. Damit noch viele Jahre lang zahlreiche Besucher an der dicken Quadersteinmauer entlang mitten in Liedberg in 19 Meter Höhe stapfen können.

(NGZ)
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