Analyse Langer Vorlauf für kurze Stadt-Radwege

Heiligenhaus · Ausschuss, Komitee, Runder Tisch, ein Scout, ein Beauftragter – das erstaunliche Wachstum einer neuen Lobby.

 Fahrradscout Johannes Merkelbach (l.) und Frank Seeber (Stadtbetriebe) sind oft unterwegs.

Fahrradscout Johannes Merkelbach (l.) und Frank Seeber (Stadtbetriebe) sind oft unterwegs.

Foto: A. Blazy

Ausschuss, Komitee, Runder Tisch, ein Scout, ein Beauftragter — das erstaunliche Wachstum einer neuen Lobby.

Durch die andauernde Charme-Offensive für das Millionenprojekt Panoramaradweg ist eins beinahe in Vergessenheit geraten: Schon zu Zeiten, als der Vorzeigeweg noch Bahntrasse war, gab es in Heiligenhaus Kopfzerbrechen darüber, wie man die Stadt fahrradfreundlich gestalten könnte. Aller topographischen und verkehrstechnischen Schwierigkeiten zum Trotz sollte Ende der 90er Jahre das Radverkehrskonzept neue Perspektiven eröffnen. Von derart geduldigem Papier sind die aktuellen Bestrebungen weit entfernt. Der Panoramaradweg hat zweifellos für Aufbruchstimmung gesorgt, was sich unter anderem daran zeigt, dass es offenbar gar nicht genug Gremien geben kann, die irgendwie Lobbyarbeit für den nicht-motoriserten Zweiradverkehr machen.

Eine kleine Bestandsaufnahme: Seit dem vergangenen Jahr ist Johannes Merkelbach als "Fahrrad-Scout" auf dem Panoramaradweg als ehrenamtlicher Mitarbeiter der Stadt unterwegs. Unterstützt wird er von den Stadtbetrieben, die die Trasse auf Stadtgebiet tipptop in Schuss halten sollen. Die Ergebnisse können sich sehen lassen. Seit der letzten Kommunalwahl gibt es zudem das Komitee für öffentlichen Nahverkehr, Fußgänger und Radfahrer. Und nun sollen ein ehrenamtlicher Fahrradbeauftragter und ein Arbeitskreis "Runder Tisch Radverkehr" dazukommen. Die Ratsfraktion der WAHL, personell eng verknüpft mit den Vertretern des ADFC am Ort, macht sich dafür stark. Ein Thema, bei dem kein nennenswerter Gegenwind zu erwarten ist. Die WAHL hat den erfahrenen Polizeibeamten und Radexperten Andreas Piorek als Beauftragten vorgeschlagen.

Einen ersten Termin dieser erstaunlich angewachsenen Radfahrer-Lobby gibt es auch schon. Am 13. Mai wird man zu einer Rundtour durch die Stadt aufbrechen. Das Ziel formuliert der Tiefbauexperte Michael Krahl so: "Wir wollen herausfinden, wie man mit kleinen Mitteln viel erreichen kann: Hier einen Bordstein absenken, dort ein Schild aufstellen — das kann schon viel bewirken." Vor allem geht es ihm darum, vom allseits gelobten Panoramaradweg aus Strecken in die Stadt, als Schulweg oder für den Einkauf, zu definieren und sie sicher zu machen.

Die Themenliste, die die WAHL-Fraktion vorgelegt hat, ist noch ein Stück länger: Fahrbahnmarkierungen sollen her, die Ampeln geprüft werden, es soll Aufstellflächen für Radler vor Ampeln geben. Alle Einbahnstraßen sollen in Gegenrichtung für den Radverkehr freigegeben werden. Ein Beispiel dafür, wie solcher Einsatz Frucht bringen kann, hat Krahl parat: "Die Achse Schulstraße-Hülsbecker Straße haben wir mit unseren Mitteln e so verändert, dass sie für Radler gut funktioniert." Wie schafft man maximalen Nutzen für Radfahrer? Für Krahl ist das weniger eine Frage von Personen und Gremien: "Wichtig ist auf jeden Fall der kurze Draht." So könne man schnell reagieren und Dinge anpacken. Genau hier sieht er den Gegensatz zum alten Radverkehrskonzept: "Das ist damals grandios gescheitert, weil man sich an Großthemen wie der Route nach Homberg über die Ratinger Straße zerrieben hat." Letztlich sei das auch eine Geldfrage gewesen. Insofern hat der Panoramaradweg für eine 180-Grad-Wende gesorgt: Gab es vor 15 Jahren noch viel Papier und wenig Lobby, droht jetzt ein Überhang an gut gemeinter Organisation. Das muss nicht dazu führen, dass viele Köche den Brei verderben. Ob aber die Kombination aus Ausschüssen, Komitee, Rundem Tisch und zwei Beauftragten Mehrwert bringt, wird die Saison zeigen.

(RP)
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