Konzert in Neuss Kammerakademie mit starkem Spiel im Zeughaus

Neuss · Das Publikum im nahezu ausverkauften Konzertsaal reagierte begeistert auf das „Georgische Temperament“.

 Die Deutsche Kammerakademie unter Isabelle van Keulen (Mitte rechts) in ihrem „Wohnzimmer“ Zeughaus.

Die Deutsche Kammerakademie unter Isabelle van Keulen (Mitte rechts) in ihrem „Wohnzimmer“ Zeughaus.

Foto: Angela van den Hoogen

Es ist immer ein besonderer Hörgenuss, die Deutsche Kammerakademie Neuss (DKN) in Reinkultur als Kammerorchester zu erleben. Entsprechend guten Besuch hatte auch das vierte Abokonzert im Zeughaus, für das es an der Tageskasse nur noch vier Restkarten gab. Nun ist das auch international gerühmte Neusser Orchester weit davon entfernt, Gute-Laune-Klassik zu zelebrieren, selbst wenn scheinbar leichte Kost das Programm eröffnet.

Von den zwölf Streichersinfonien, die Felix Mendelssohn Bartholdy im Alter von zwölf bis 14 Jahren schrieb, erklang die Nr. 9 in C-Dur. Weil im Scherzo rauschende Streicher von einem Jodler unterbrochen werden, hat die ganze Sinfonie den Beinamen „Schweizer“. Unter der nur wenige Zeichen umfassenden Leitung von Isabelle van Keulen, die an der 1. Violine saß, spielte die DKN diese Sinfonie mit vollkommener Konzentration und leidenschaftlicher Hingabe.

Im Konzert traf frühe Klassik auf georgisches Temperament. Der georgische Nationalkomponist Otar Taktakischwili folgte in seiner konservativen Tonsprache zunächst dem sozialistischen Realismus, änderte seinen Stil ab 1970 aber radikal, so auch im 1987 verfassten „Konzert Nr. 2 für Violine und Kammerorchester“.

Spannungsvolle Musik wie im Film entsteht in der von Isabelle van Keulen exzellent gespielten Solovioline, zunächst ein Drama wechselt die Stimmung bald zu einer lyrischen Volksmelodie, der zweite Satz wird beherrscht durch den Dialog zwischen kraftvollem Orchester und kantabler Solovioline, das tänzerische Finale, in dem die Violinen ihr Instrument auch als Schlagzeug benutzen, endet in virtuoser Heiterkeit. Das starke Spiel  wurde vom Publikum nahezu ausnahmslos begeistert aufgenommen. Eine starke Komposition ist Pjotr I. Tschaikowskijs einziges Streichsextett in d-Moll (op. 70). „Erinnerung an Florenz“ nennt er das viersätzige Werk, und tatsächlich: Nach düsterem und stürmischen Beginn könnte der langsame zweite Satz eine wunderbare Serenade in den Florentiner Boboligärten sein, in denen Tschaikowskij so gerne spazieren ging.

Ein leidenschaftliches „Liebesduett“ zwischen Solovioline (Isabelle van Keulen) und Violoncello (Milan Vrsajkov) ist der Höhepunkt des Konzerts. Schon bald nach der Uraufführung 1890 wurde das Sextett für Streichorchester arrangiert, für die DKN wie geschaffen. Sie nutzte ihre glänzende Form für die wunderschöne Verbindung von folkloristischer Melodik mit fesselnder Rhythmik und schloss das Rondo-Finale mit einer bei aller Klangfülle sehr  klar durchscheinenden Doppelfuge ab.

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