Lesung in Neuss Vom Krimi zum Familienroman

Neuss · Der Weg war lang, aber die in Kaarst lebende Autorin Christiane Wünsche hat einen Bestseller geschrieben.

Alles begann mit einem Drachen und endet (vorläufig) mit Familie Franzen. „Der kleine Drache Träumchen“ war die erste selbst verfasste Geschichte, die Christiane Wünsche im Grundschulalter zu Papier brachte. „In ein Schulheft mit diesen doppelten Linien“, erzählt die Autorin und lacht. Die Drachengeschichte blieb in der Schublade, die kleine Christiane träumte aber schon damals davon, Schriftstellerin zu werden.

1966 wird sie als älteste von drei Töchtern in Lengerich geboren. 1970 zieht die Familie nach Kaarst – und dort wohnt Christiane Wünsche mit ihrem Lebensgefährten noch immer. Ihre narrative Begabung bricht sich früh Bahn: Mit Vorliebe erzählt sie den jüngeren Schwestern abends im Bett Geschichten. Auch das Lesen gehört zu ihren Lieblingsbeschäftigungen: Die Bücher von Enid Blyton findet sie toll. Christiane Wünsche erfindet Abenteuergeschichten, schreibt aber auch Gedichte. Doch das Schreiben stuft sie damals eher als Hobby ein und entscheidet sich nach dem Abitur für ein Studium der Sozialarbeit in Düsseldorf: „Ich wollte etwas für Menschen tun“, resümiert sie, durch ihr Elternhaus religiös-sozial geprägt. Nach Abschluss des Studiums arbeitet sie ab 1991 bei der Evangelischen Kirche und betreut seitdem das Jugendcentrum in Holzbüttgen.

Für die Arbeit mit ihren Schützlingen verfasste sie damals manchmal Rollen- und Kriminalspiele. Sonst verliert sie in dieser Zeit das Schreiben für lange Zeit aus den Augen: 1995 wird ihre Tochter geboren, die Christiane Wünsche alleine großzieht. Doch der Wunsch und die Fähigkeit zu schreiben schlummern nur, denn als ihre Tochter 2010 „aus dem Gröbsten“ heraus ist, bringt sie endlich ihr erstes Buch zu Ende: 2013 erscheint der Krimi „Bleischwer“, angesiedelt in der Region Niederrhein. In schneller Folge gibt es vier weitere Kriminalromane, die ihr allesamt viel Spaß und gute Rückmeldungen bescheren. Jedoch stört Christiane Wünsche, dass diese „Regio-Krimis“ ihr nicht den erhofften Bekanntsheitsgrad verschaffen.

Zudem hängt sie nicht am Genre Krimi, dafür reizt sie die Vorstellung, ihren Protagonisten mehr psychologische Tiefe zu verleihen und einen empathischen Stil zu pflegen: beste Voraussetzungen für ein breit angelegtes Familienepos. Ihr Schwesternstatus und eine Fluchtgeschichte der eigenen Familie mit Verlust der Heimat inspirieren Christiane Wünsche zu ihrem ersten Familienroman „Aber Töchter sind wir für immer“.

Sie betont, dass der Roman in keiner Weise autobiographisch ist. Das Schreiben fällt ihr zunächst schwer – ein roter Faden muss gefunden werden. Umfangreiche Recherchen zur Situation der Flüchtlinge in Kaarst und Umgebung erweisen sich für Christiane Wünsche als sehr spannend und lehrreich. Die Figurenzeichnung der Familie Franzen, das Erzählen aus verschiedenen Perspektiven und Entwickeln einzelner Szenen dauern rund anderthalb Jahre.

Wünsche bekommt den Tipp, mit einer Literaturagentur zusammenzuarbeiten – so wird der Fischer-Verlag auf sie aufmerksam. Nach der Veröffentlichung des Romans im Juli 2019 erreicht er direkt Platz 13 der Spiegel-Bestsellerliste und am Schluss Platz fünf. Christiane Wünsche ist überwältigt: Ihr Traum hat sich verwirklicht, und sie fühlt sich als echte Schriftstellerin. Sie empfindet die Platzierung als große Wertschätzung nach einem von persönlichen Verlusten geprägten Jahr. Und ein fertiges Buch in den Händen zu halten, sei jedes Mal ein Gefühl „wie Weihnachten und Ostern zusammen“, erklärt sie lachend. Christiane Wünsches Augen leuchten, wenn sie vom Schreiben erzählt. Von ihrem Vollzeitjob profitiert sie bei der Entwicklung ihrer Figuren. Und das nächste Buch ist bereits in Arbeit: Im Frühjahr 2021 erscheint eine Geschichte über Freundinnen.

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