Interview mit Angelika Quiring-Perl aus Neuss Bolu wird die sechste Partnerstadt

Neuss · Die Vorsitzende des Partnerschaftskomitees über neue internationale Beziehungen und einen neuen Verein.

 Angelika Quiring-Perl, Vorsitzende des Partnerschaftskomitees Neuss, mit den Wappen der türkischen Städte Bolu und Nevsehir.

Angelika Quiring-Perl, Vorsitzende des Partnerschaftskomitees Neuss, mit den Wappen der türkischen Städte Bolu und Nevsehir.

Foto: Christoph Kleinau

Frau Quiring-Perl, seit zwölf Jahren gilt die Universitätsstadt Bolu in der türkischen Schwarzmeerregion als befreundete Stadt. Warum reicht das nicht mehr?

Angelika Quiring-Perl In den vergangenen Monaten sind die Kontakte von Seiten Bolus intensiviert worden. Bei dem Besuch des Bürgermeisters im August haben die Vertreter Bolus deutlich den Wunsch artikuliert, Partnerstadt sein zu wollen. Dazu muss man wissen: Bolu ist eine total moderne, europäische Stadt, die auch die Kraft hat, eine Partnerschaft aktiv zu leben.

Was ändert sich, wenn Bolu den Status einer Partnerstadt erhält?

Quiring-Perl Die Benennung stellt in der Türkei eine positivere Akzeptanz dar. Städtefreundschaften kennt man dort gar nicht. Auf operativer Ebene führt das dazu, dass alle Begegnungen unter der Prämisse „Partnerschaft“ gefördert und durchgeführt werden können.

Auffällig an der Entwicklung ist, dass gerade Ihre CDU sich jahrelang gegen eine Partnerstadt in der Türkei gewehrt hat. Jetzt haben wir zwei. Oder ändert sich etwas für die eigentliche Partnerstadt Nevsehir?

Quiring-Perl Für Nevsehir ändert sich an der Beziehung und an dem Wunsch, die Gemeinsamkeit mit dieser Stadt zu vertiefen, überhaupt nichts. Auch der neu gewählte Bürgermeister von Nevsehir hat ausdrücklich den Wunsch geäußert, den Kontakt zu intensivieren.

Die Bevorzugung des kappadokischen Nevsehir war 2007 eine rein politische Entscheidung. Lange ist diese Beziehung auch unterentwickelt geblieben. Wie bewerten Sie den Kontakt heute?

Quiring-Perl Ich war zur Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrages damals in Kappadokien. Wir hatten den Eindruck, dass von Seiten der Bevölkerung große Bereitschaft dazu bestand, Kontakte zu knüpfen. Die Zurückhaltung des damaligen Bürgermeisters dort habe ich nie verstanden. Sein Nachfolger scheint da offener im Sinne von Völkerverständigung zu sein. Gerade in Neuss ist die Gruppe derer ja groß, die ihre Wurzeln in der Region Nevsehir haben.

Unter dem Vorsitz Ihres  Stadtverordneten-Kollegen Hakan Temel hat sich der Verein „Turkuaz: Städtepartner Neuss“ gegründet. Satzungsziel: Pflege der Kontakte zu beiden türkischen Städten. Welchen Impuls erhoffen Sie sich von dem Verein?

Quiring-Perl Eine Satzung habe ich noch nicht gesehen, die Vereinsgründung war aber überfällig. Denn die Partnerschaften mit den anderen Partnerstädten leben ja auch und gerade von den Vereinen. Man kann nur hoffen, dass dieser Verein bisherige private Bemühungen – etwa der Pfadfinder – offiziell unterstützen wird. Der Vorsitzende scheint ja gute Kontakte in die kommunalpolitische Szene von Nevsehir zu haben. Ich erwarte aber, dass auch dieser Verein sich an die gute geübte Praxis hält, die Politik der Herkunftsländer  – wie jetzt den Krieg gegen Syrien – nicht zum Thema vor Ort zu machen.

Mit vier Städtepartnerschaften war Neuss lange zufrieden. Mehr würden – so hieß es – die Möglichkeiten der Stadt übersteigen. Demnächst gibt es sechs Partnerschaften. Grenze erreicht?

Quiring-Perl Wir haben die erste Grenze ja schon vor Jahren überschritten, als wir uns mit Nevsehir verbunden haben. Vorher bestand lange die Haltung, die Zahl nicht zu vergrößern.

In der Politik gibt es starke Befürworter für eine Städtepartnerschaft mit Israel, andere würden lieber die Kontakte mit dem belgischen Leuven intensivieren. Wohin tendieren Sie?

Quiring-Perl Die Zusammenarbeit mit Leuven ist entstanden durch die Kontakte von zwei Kulturinstituten, nämlich den Stadtarchiven. Das führte zu dem Antrag der SPD, eine Städtepartnerschaft anzustreben. Ich bin froh, dass der nicht abgelehnt wurde, sondern auf eine vorsichtige Annäherung in unterschiedliche Bereichen gesetzt wird. Mit dem französischen Châlons sind wir 1972 ja ähnlich verfahren: Die Partnerschaft wurde erst unterzeichnet, nachdem schulische und sportliche Kontakte etwas gereift waren. Ich habe aber den Eindruck: Leuven ist offen, betreibt das Thema aber nicht aktiv.

Und Israel?

Quiring-Perl Vereinzelte Kontakte nach Israel bestehen schon – und sie sind älter als der im Vorjahr geschlossene Vertrag mit der jüdischen Gemeinde. Zum Teil rühren sie aus dem Jahr 1984, als Neuss seine ehemals jüdischen Mitbürger eingeladen hat. Über eine Partnerschaft wurde oft gesprochen, ein Antrag aber nie gestellt. Die nun laufenden Bestrebungen in diese Richtung werde ich voll unterstützen.

Bei so viel Internationalität mal kühn nach vorne gedacht: Wann startet die erste Partnerschaftsdelegation Richtung China?

Quiring-Perl Sobald wir unter den vielen Millionenstädten eine Stadt unserer Größenordnung gefunden haben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort