Augustinus-Forum in Neuss Macht der Glaube das Sterben leichter?

Neuss · Mit über 500 Zuhörern war das Augustinusforum so gut besucht wie schon lange nicht mehr. Das dürfte vor allem daran gelegen haben, dass das Thema „Vom Leben und Sterben“ jeden Menschen berührt.

Anne Schneider war vor fünf Jahren an Brustkrebs erkrankt. Ihr Ehemann Nikolaus (72) stieg aus dem Berufsleben – er war zuletzt Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland und in dieser Funktion Nachfolger von Margot Käßmann – aus, um sich voll und ganz seiner Frau zu widmen. Außerdem hatten sie Meike, die jüngste ihrer drei Töchter, die an Leukämie erkrankt war, verloren. Franz-Josef Esser hat tagtäglich mit dem Tod zu tun. Er ist Chefarzt für Anästhesie und Intensivmedizin des Johanna-Etienne-Krankenhauses und war am Dienstagabend wie Anne und Nikolaus Schneider zu Gast beim Augustinusforum. Die Moderation übernahm Leiter Michael Schlagheck.

Anne Schneider sagte Sätze wie: „Die Vergänglichkeit des Lebens zu akzeptieren, ist ein wichtiger Teil des Lebens.“ Das Sterben ihrer Tochter habe ihrem Leben Tiefe verliehen. „Sterben ist die letzte Phase des Lebens, nicht die erste Phase des Todes“, erklärte ihr Mann.

„Bei uns in der Klinik sterben rund 600 Menschen pro Jahr“, sagte Esser. Das liege daran, dass der Tod zunehmend in Institutionen wie Altenheime oder eben Krankenhäuser verlagert werde. Auch im Krankenhaus werde viel zu wenig über das Sterben gesprochen. Für Anne Schneider war dies von elementarer Bedeutung nach dem Tod ihrer Tochter: „Wer in dieser Situation keinen Gesprächspartner hat und alles in sich hineinfressen muss, hat es verdammt schwer.“

Einen weiteren Aspekt brachte Nikolaus Schneider ein: „Die kirchliche Lehre muss nicht eindeutig sein, sie sagt uns etwas, was wir nicht voll und ganz erfassen können.“ Diese Erkenntnis sei langsam in ihm gereift: „Als junger Pfarrer konnte ich die Welt genau erklären.“ Sterben im Glauben verwurzelte Menschen leichter? Franz-Josef Esser erklärte dazu: „Sie tun sich schon etwas leichter, muss aber nicht in jedem Fall so sein.“ Das Sterben sei so individuell wie das Leben. Er gab zu bedenken, dass es auch möglich sei, Menschen auf der Palliativstation noch eine gewisse Lebensfülle zu ermöglichen. In fast allen Fällen sei es zudem möglich, die Patienten von Schmerzen zu befreien.

Eine weitere Lösung am Ende des Lebens: Eine palliative Sedierung. Nikolaus Schneider beschrieb, wie es ihm gegangen war, als seine Tochter vor seinen Augen starb: „Ich war am Ende, es war, als hätte man mir den Boden unter den Füßen weggerissen.“ Ehefrau Anne gestand, dass sie einige Zeit nicht mehr habe beten können. Sie sprach sich generell für eine großzügigere gesetzliche Regelung zur Sterbehilfe aus – es könne nicht sein, dass man als Sterbender darum betteln müsse. Anne Schneider möchte für den Fall der Fälle aber, dass man ihr etwas reicht, was zum sofortigen Tod führt. „Wenn ich mich dafür entscheiden würde, hätte ich keine Angst, deshalb in die Hölle zu kommen.“ Das Schweizer Sterbehilfe-Modell findet sie gut, die Lösungen in Belgien und Holland sind ihr zu weitgehend.

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