Datenschutz in Neukirchen-Vluyn Bewerbungsmappen in der Gelben Tonne

Neukirchen-Vluyn · Schwere Datenpanne bei einem Handwerksunternehmen in Vluyn: Dort fanden Anwohner sechs Bewerbungen im Recyclingmüll.

 Sechs Bewerbungsmappen landeten in Vluyn in der Gelben Tonne. Das verstößt gegen Datenschutzbestimmungen. Mappen müssen entweder fachgerecht geschreddert oder an die Bewerber zurückgeschickt werden.

Sechs Bewerbungsmappen landeten in Vluyn in der Gelben Tonne. Das verstößt gegen Datenschutzbestimmungen. Mappen müssen entweder fachgerecht geschreddert oder an die Bewerber zurückgeschickt werden.

Foto: Dirk Neubauer

Auf ein Bewerbungsfoto folgt der Lebenslauf, dessen Stationen durch Zeugnisse belegt werden: Eine Stellenbewerbung enthält jede Menge Angaben zur Person. Experten halten die Bewerbungsdaten für ausreichend, um einen Identitätsdiebstahl begehen zu können. An der Niederrheinallee in Vluyn haben Anwohner jetzt sechs solcher Bewerbungsmappen in einer Gelben Tonne gefunden. Das Foto rechts zeigt die Originalunterlagen, die offen im Müll lagen. Die Mappen wurden von den Findern dem Landesbeauftragten für Datenschutz in NRW zugesandt, nachdem die Polizei in Neukirchen-Vluyn die Annahme verweigert hatte.

Alle Versuche, mit dem der RP bekannten Firmeninhaber zu sprechen, scheiterten gestern. Entweder wurde der Telefonhörer einfach neben den Apparat gelegt, so dass (vertrauliche?) Dienstgespräche mitgehört werden konnten – oder es vergingen qualvoll lange Minuten in der durch fröhliche Musik untermalten Warteschleife. Es entstand der Eindruck eines Betriebes, in dem es derzeit richtig brummt. War Überlastung der Mitarbeiter ein Grund für die schludrige Entsorgung vertraulicher Unterlagen?

Dabei ist der Umgang mit Bewerberdaten gesetzlich klar geregelt – im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und den entsprechenden Vorschriften der Bundesländer. Die Bestimmungen für die „Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten“ aus Paragraph 35 setzen die Rechtsnormen. Demnach muss ein Arbeitgeber die Bewerberdaten umgehend löschen, sobald ein Bewerbungsverfahren abgeschlossen ist. Bewerbungsmappen müssen geschreddert und fachgerecht entsorgt – oder den Bewerbenden zurückgesandt werden. Dafür haben Arbeitgeber bis zu sechs Monate Zeit. Denn sollten erfolglose Bewerber Ansprüche aus dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz geltend machen, dienen die Unterlagen als Beweismittel. Fest steht: In den Hausmüll gehören Bewerbungsmappen nicht.

Noch weit offener als in klassischen Bewerbungsmappen sind die digital übermittelten Dokumente zu einer Bewerbung. Ein Datenspezialist sagte gestern: „Vielen ist gar nicht klar, was sie da alles ungeschützt durch die Gegend schicken.“ Auch von Bewerbungsportalen – ob unabhängig oder firmeneigen, müssen Bewerberdaten sofort gelöscht werden. Es sei denn, der Betreffende hat zugestimmt, dass sein Lebenslauf gespeichert wird, um bei der nächsten Stellenausschreibung eine Chance zu bekommen.

Als vor gut einem Jahr die europäische Datenschutzgrundverordnung in Kraft trat, waren viele Selbstständige, Kleinunternehmer, Handwerker, aber auch Vereinsvorstände hochgradig verunsichert. Die für Neukirchen-Vluyn zuständige Handwerkskammer machte einen rekordverdächtigen Beratungsbedarf aus. Die Datenschutzbeauftragte Nicole Baumgärtel berichtet, dass ihr Haus sieben Infoveranstaltungen im Mai, Juni, Juli und September 2018 für die Mitgliedsbetriebe der Handwerkskammer Düsseldorf anbot – mit rund 1000 Zuhörenden. Seit Januar 2018 zählte sie rund 2700 telefonische Beratungen im Datenschutz und beantwortete etwa 1400 E-Mail-Anfragen.

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