Nettetal Tafel bittet zu Tisch

Nettetal · Seit mehr als sieben Jahren versorgen ehrenamtliche Kräfte um Hermann Hecker und Christel Hecker-Jaeger bedürftige Menschen mit Lebensmitteln. Sie sammeln unverkäufliche, nicht verdorbene Ware in Geschäften ein.

Manchmal verspürt Hermann Hecker den Rechtfertigungsdruck besonders deutlich. „Wisst ihr nicht, wie viele euch nur ausnutzen, um billig an Lebensmittel zu kommen?“ hört der Vorsitzende der Nettetaler Tafel dann. Klar weiß er das. „Ich schätze, dass bundesweit bei den Tafeln etwa zehn Prozent der Bezieher von Lebensmitteln schummeln. In Nettetal sind es vielleicht sieben Prozent.“

Viel wertvoller sind Hecker aber andere, vor allem nachprüfbare Erkenntnisse. „Kürzlich sagte mir eine ältere Frau: Mithilfe der Tafel lebe ich gesünder, weil ich ausreichend Obst und Gemüse bekomme.“ Das sind dann die „Highlights“ im Leben von Menschen, die selbstlos anderen helfen wollen, weil sie Not leiden.

Gegründet im April 2001

Im April 2001 gründete sich die Tafel auch in Nettetal. Anfangs haben wohl die Gründer wie Hermann Hecker selbst unterschätzt, wie viel Not in Familien herrscht. Nachdrücklich distanziert sich Hecker stets vom Begriff „Armut“, den man nicht mit der wirklichen Armut in Afrika, Asien oder Südamerika gleichsetzen dürfe. „Wenn die Schamschwelle überschritten wird, dann tritt aber zutage, unter welchem existenziellen Druck viele Menschen in unserer Stadt stehen“, sagt der pensionierte Rektor.

Steigende Gesundheitskosten und die Inflation beuteln vor allem Rentner. Sie bilden eine besonders große Gruppe unter den Menschen, die um Hilfe bitten. Auffällig viele allein erziehende Mütter mit Kindern kommen hinzu. Hecker schätzt die Zahl überschlägig auf 50 Haushalte. Ungewöhnlich viele leben in Kaldenkirchen. „Bis zur Vorschule reicht das schmale Einkommen dort. Aber es wird allgemein unterschätzt, wie teuer ein Kind einer Mutter kommt, das eingeschult wird“, berichtete Hecker im Sozialausschuss.

Die dritte große Gruppe der Klienten bilden Bezieher von Arbeitslosengeld II (Hartz IV). Hecker bekümmert sehr, dass mitunter Zuwendungen auf die Zahlungen der Arge angerechnet werden, auch wenn dies für Leistungen der Tafel bisher abgewendet werden konnte.

Neun Bäckereien und zwanzig Lebensmittelmärkte liefern monatlich etwa 40 Tonnen Lebensmittel. Zwei Fahrzeuge sind unterwegs, es gibt Sortier- und Lagermöglichkeiten. Betroffen gemacht hat die ausschließlich ehrenamtlichen Mitarbeiter der Tafel, dass in Schaag eine Lieferstation verlegt werden musste. Sie und ihre Kunden wurden dort von Anwohnern übelst beschimpft und diffamiert.

(RP)
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