Rückwärtsfahren ist zu gefährlich an vielen Stellen in Moers Müllabfuhr darf nur noch vorwärts fahren

Moers · Die „Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung“ hat das Rückwärtsfahren für Entsorgungsfahrzeuge mit einer neuen Branchenregel weitestgehend verboten. Das zwingt die Enni zum Umdenken bei der Tourenplanung. Experten haben 309 Gefahrenstellen ausgemacht. 

 Große Müllwagen wie dieser dürfen künftig nur noch unter bestimmten Voraussetzungen rückwärts fahren.

Große Müllwagen wie dieser dürfen künftig nur noch unter bestimmten Voraussetzungen rückwärts fahren.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Es geht nur noch vorwärts bei der Enni Stadt & Service, jedenfalls, was die Fahrtrichtung der Müllabfuhr betrifft. Rest- und Bioabfälle, Altpapier, Sperrgut: Jede Woche entsorgt das Unternehmen im Moerser Stadtgebiet tausende Tonnen Abfall. Für das Team von Abteilungsleiter Ulrich Kempken ist das keine einfache Aufgabe, gerade in kleinen, engen und privaten Straßen. Die sperrigen 2,50 Meter breiten Abfallfahrzeuge müssen dort nämlich oft rückwärts fahren. Dabei kommt es bundesweit immer wieder zu tragischen Unfällen. Erst in der vergangenen Woche ist ein Neunjähriger im Saarland bei einem Unfall mit einem Müllwagen in einer engen, unübersichtlichen Straße gestorben.

 Von seinem Büro am Jostenhof aus plant Enni-Abteilungsleiter Ulrich Kempken die neuen Touren.

Von seinem Büro am Jostenhof aus plant Enni-Abteilungsleiter Ulrich Kempken die neuen Touren.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Die „Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung“ (DGUV) hat das Rückwärtsfahren deshalb mit einer neuen Branchenregel weitestgehend verboten. „Für uns hat diese Regel Gesetzescharakter“, sagt Kempken. „Erlaubt ist das Rückwärtsfahren jetzt nur noch, wenn es quasi unvermeidbar ist und bestimmte Rahmenbedingungen eingehalten werden. Zum Beispiel muss ein zusätzlicher Einweiser an Bord sein, die Mindestdurchfahrbreite muss 3,50 Meter betragen und die Strecke, die rückwärts zurückgelegt wird, darf nicht länger als 150 Meter sein.“

Das zwingt die Enni zum Umdenken bei der Tourenplanung. In ihrem Auftrag haben Experten des INFA Instituts aus Ahlen alle 969 Straßen des Moerser Stadtgebietes unter die Lupe genommen und dabei an 309 Stellen Gefahrenpotenziale ausgemacht. Das Ergebnis: An 64 Stichwegen und Sackgassen muss auf Empfehlung der Berater sofort gehandelt werden.

„Die Einfahrt zwischen Rathaus und Finanzamt in der Moerser Innenstadt ist zum Beispiel so ein kniffeliger Fall“, sagt Kempken. „Dort müssen die Fahrzeuge von der Unterwallstraße aus rückwärts rein fahren. Dort ist aber auch jede Menge Fußgänger- und Radverkehr.“

Grundsätzlich suche die Enni zunächst nach Möglichkeiten, Straßen und Häuser auf anderen Wegen als bisher anzufahren, heißt es. Dort wo das nicht möglich ist, will Kempken mit Bürgern über Alternativen nachdenken. Dazu erhalten Anlieger betroffener Straßen in diesen Tagen Post mit der Bitte, der Abfallabfuhr ein Vorwärtsfahren zu ermöglichen, das Wenden auf Privatgrundstücken zu erlauben oder die oftmals bereits vorhandenen Wendehämmer an Abfuhrtagen nicht mit Privatfahrzeugen zu versperren.

„Wendehämmer müssen stets weiträumig frei sein, damit wir die Wendekreise unserer zehn Meter langen Fahrzeuge problemlos einhalten können“, sagt der Abteilungsleiter. „Wir bitten die Bürger in betroffenen Straßen um Verständnis und Mithilfe, weil wir den Service trotz des Verbotes möglichst wenig einschränken wollen. Wenn das nicht klappt, sind im nächsten Schritt aber auch Halteverbote denkbar.“ In letzter Konsequenz würden die Straßen nicht mehr angefahren, in denen alle Maßnahmen in der Praxis nicht fruchten. „Dann müssen einige Anwohner ihre Mülltonnen an Abfuhrtagen bis an die nächste Hauptstraße ziehen“, sagt Kempken. „Das wird aber sicher nur in den ganz wenigen Fällen nötig sein.“

Grundsätzlich ist die Größe des Rückwärtsfahrt-Problems von Kommunen zu Kommune unterschiedlich. Dass die Analyse und der mögliche Mehraufwand Geld kosten, liegt auf der Hand. Beziffern kann diesen zum Beispiel schon die Entsorgung Dortmund Gesellschaft (EDG).

Sie hat ihre rund 2700 Engstellen ebenfalls überprüft und infolge dessen vier Kleinstmüllfahrzeuge angeschafft. Wie die WAZ berichtet, bedeutet das auch sechs zusätzliche Arbeitsstellen. Die EDG hat ihre Gebühren 2017 um 1,9 Prozent erhöht, der Anteil der durch die neuen Sicherheitsregeln verursachten Kosten liege bei rund 1,2 Prozent, so eine Sprecherin

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort