Mönchengladbach Von der Bühne in den Beruf

Mönchengladbach · Angst und Nervosität sind menschlich. Doch in einem Bewerbungsgespräch können sie kontraproduktiv sein. Schüler der Gesamtschule Rheydt-Mülfort trainieren deshalb mit ausgebildeten Schauspielern für diesen Fall.

 Zusammen mit ausgebildeten Schauspielern lernen Schüler der zehnten Klasse in szenischen Spielen das richtige Auftreten im Beruf.

Zusammen mit ausgebildeten Schauspielern lernen Schüler der zehnten Klasse in szenischen Spielen das richtige Auftreten im Beruf.

Mülfort Die Kundin ist außer sich. Mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund starrt sie auf den Spiegel. "Sie haben meine Haare versaut", nörgelt sie. "Bitte regen Sie sich nicht auf; das bekommen wir schon wieder hin", versucht die Friseurin die aufgebrachte Dame zu beruhigen. Nichts zu machen, sie möchte den Chef sprechen. Einige Gespräche und eine weitere Haartönung später ist die Kundin dann doch zufrieden. "Warum nicht gleich so?", fragt sie.

Birgit Pacht, Schauspielerin aus Köln, beginnt zu klatschen. 15 Schüler stimmen mit ein. "Das war wirklich gut", sagt sie und lächelt. Vier Jugendliche verneigen sich. Ihre kleine Schauspiel-Einlage stößt auf Anerkennung. Unter dem Arbeitstitel theaterpädagogisches Berufswahltraining hat die Gesamtschule Rheydt-Mülfort ein einzigartiges Berufstraining ins Leben gerufen. Zusammen mit ausgebildeten Schauspielern lernen Schüler der zehnten Klasse in szenischen Spielen das richtige Auftreten in einem Beruf.

"Die Sprache und vor allem die Körpersprache sagt sehr viel über das Auftreten aus", weiß Birgit Pacht. So können verschränkte Arme oder überkreuzte Beine von Unsicherheit zeugen. Mit drei weiteren Schauspielkollegen hat Pacht die Jugendlichen zwei Tage lang im Jugend-Clubhaus-Westend betreut. Am ersten Tag, erinnert sie sich, sei es wirklich schwer gewesen. "Alle waren furchtbar schüchtern." Umso mehr freut es sie jetzt, dass beim zweiten und letzten Schauspieltag die Jugendlichen mutiger und selbstbewusster geworden sind.

Das merken auch die Schüler. "Am Anfang war ich noch unsicher, aber letzten Endes hat es mir wirklich Spaß gemacht. Ich würde es auf jeden Fall wieder machen", sagt Jeremy Thomas Müller. Das Markenzeichen des 16-Jährigen ist eine große Hornbrille mit schwarzem Gestell. Es ist Teil seines Kostüms, wie er beteuert. In einer Szene spielt Jeremy einen Kellner, der den Gästen im wahrsten Sinne des Wortes die Suppe versalzt, um es später auf den Chefkoch zu schieben. Jeremy schaut verstohlen, wenn er seinen Salzstreuer zückt. Die Schüler beginnen zu kichern. "Bleibt in euren Rollen", sagt Birgit Pacht, "tief atmen."

Den Schülern macht es sichtlich Freude, in ein anderes Ich zu schlüpfen. "Wenn alles glatt läuft, wollen wir das Schauspieltraining jedes Jahr organisieren", freut sich Sascha Just. An der Gesamtschule Rheydt-Mülfort ist er stets in Sachen Berufsorientierung zur Stelle. Unterstützt wird das neue Theaterprojekt durch Fördermittel aus der Initiative "Zukunft fördern. Vertiefte Berufsorientierung gestalten". "Mit dem Schauspieltraining haben vor allem unsere Schüler mit Zuwanderungsgeschichte einen Vorteil", weiß Just. Chancen und Stärken richtig erkennen sei von großer Bedeutung. Und besonders in Zeiten sozialer Netzwerke wie Facebook sei korrekter menschlicher Umgang umso wichtiger.

(RP)
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