Serie Was macht eigentlich? Kunst im goldenen Rahmen

Mönchengladbach · Rahmen drum und fertig – das ist nicht der Anspruch. Im Kunstkabinett Vischer wird immer noch, und längst nicht nur bei Bilderrahmen, in kunsthandwerklicher Tradition gearbeitet. Seit 85 Jahren und in der dritten Generation an der Bismarckstraße – von zwei Vergoldermeistern.

 Drei Vischers in ihrem Kunstkabinett (von links): Anette, Vanessa und Detlef.

Drei Vischers in ihrem Kunstkabinett (von links): Anette, Vanessa und Detlef.

Foto: Raupold, Isabella (ikr)

Franz Meyers, M. Gladbacher Oberbürgermeister und dann Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, gehörte zu den Freunden des Hauses, ebenso Johannes Cladders, der „Vater“ des Museums Abteiberg. Die Werke der 1951 gegründeten Gladbacher Künstlergruppe „Planke“ wurden ebenso präsentiert wie 1962 die „Junge Kunst“ von Markus Lüpertz, einem der heute bekanntesten deutschen Künstler der Gegenwart.

Das 85 Jahre alte Kunstkabinett Vischer an der Bismarckstraße ist in der mittlerweile dritten Generation der Familie eine Institution in der Stadt. Und das nicht nur wegen des stetig aktualisierten Angebots alter wie zeitgenössischer Kunst. Sondern vor allem auch wegen des exzellenten Rufs als Fachbetrieb für Restaurierung historischen Kulturguts (unter anderem Gemälde, Möbel, Altäre), Blattvergoldungen, Veredlungen, Neuanfertigungen, Beratung und Gutachten zum Zustand und zur kunsthistorischen Klassifizierung sowie Wertschätzungen – und noch etliches mehr.

 Vergoldermeister Erwin Vischer präsentierte mit seinem Sohn Detlef den Goldenen Meisterbrief.

Vergoldermeister Erwin Vischer präsentierte mit seinem Sohn Detlef den Goldenen Meisterbrief.

Foto: DF

Vergoldermeister waren oder sind alle drei Vischers im Kunstkabinett: der gebürtige Stuttgarter Erwin, der 1933 als 29-Jähriger mit einer kleinen Werkstatt an der Steinmetzstraße begann, sein Sohn Detlef, (heute 67, zusätzlich Gemälderestaurator), der 1972 die Geschäftsführung übernommen hat, und dessen Tochter Vanessa (35), die seit 2007 als staatlich geprüfte Restauratorin für Möbel und Holzobjekte und Vergolderin ebenfalls im Familienbetrieb tätig ist, der am linken Niederrhein bis heute eine führende Rolle spielt.

In einer Branche mit großer Tradition, die die Vischers trotz zunehmender Schwierigkeiten nach wie vor fasziniert. „Unser Beruf stellt ständig neue Herausforderungen. Da ist kunsthistorisches Wissen wichtig, aber auch Materialkunde und die genaue Kenntnis früherer Handwerkstechniken“, sagt Detlef Vischer. „Bei Vergoldungen müssen wir teilweise auf abgewandelte Materalien ausweichen. Bleiweiß, das auf Gemälden eine besondere Wirkung erzielt, ist verboten, da muss ich zum Beispiel bei der Restaurierung eines Bildes aus dem 16. Jahrhundert eine andere Lösung finden. Oder: Bei Holzeinrahmungen sollte man heute nur noch säurefreie Passepartouts verwenden und spiegelfreies Glas, das UV-Strahlung absorbiert.“

 Der frühere Ministerpräsident Franz Meyers (Mitte) war zu seiner aktiven Zeit immer wieder mal Gast im Kunstkabinett.

Der frühere Ministerpräsident Franz Meyers (Mitte) war zu seiner aktiven Zeit immer wieder mal Gast im Kunstkabinett.

Foto: DF

Probleme, von denen Erwin Vischer 1933 nichts ahnte, und auch noch nicht, als der kleine Detlef im Geschäft des Vaters immer wieder die Bilder bestaunte. Denn der Vater hatte 1951 mit dem Umzug von der Bismarckstraße 59 gleich um die Ecke zur Steinmetzstraße 47 den Werkstattbetrieb erweitert: „Kunstkabinett E. Vischer, Handel und Werkstatt für Einrahmungen“ hieß die kleine Firma nun, die Werke von Künstlern aus der Stadt und ihrem Umfeld anbot – vor allem der Künstlergruppe „Planke“. Die zehn Künstler erhofften sich durch einen gemeinsamen Auftritt mehr Bekanntheit und verkaufte Werke. Erwin Vischer unterstützte sie mit Ausstellungen in seinem Geschäft. Oder zehn Jahre später auch mit seiner ersten großen Ausstellung „Junge Kunst“ im großen Textilhaus Heinemann an der oberen Hindenburgstraße mit Künstlern wie Markus Lüpertz, Dorus Meuter oder dem „Plastiker“ Hans Thorner,

 Der junge Markus Lüpertz (rechts) mit Hausherr Erwin Vischer (Mitte) und Schauspieler Lebrecht Honig.

Der junge Markus Lüpertz (rechts) mit Hausherr Erwin Vischer (Mitte) und Schauspieler Lebrecht Honig.

Foto: DF

Das Kunstkabinett Vischer wuchs und wurde zu so etwas wie einer kleinen „Marke“ in der Stadt. 1972 zog es erneut um, wieder gleich um die Ecke, zurück zur Bismarckstraße 59 – nun mit Detlef als Geschäftsführer, dem der Vater bis zu seinem Tod 1988 auf Wunsch tatkräftig zur Seite stand. Auf die Präsentationen lokaler Künstler folgten Ausstellungen mit großen internationalen Namen wie Chagall, Miro, Dali oder Osanne. Zum 85-jährigen Bestehen werden jetzt Bilder der 1950er Jahre bis heute präsentiert.

Entwickelt hat sich im Lauf der Jahrzehnte auch die gesamte Branche: „In den 1970er Jahren wurden viele Grafiken verkauft. Heute fragen die Kunden eher nach Unikaten. Auch bei den Rahmen hat sich etwas getan. Kauften Kunstfreunde früher häufig Barockrahmen, achten sie heute eher darauf, dass der Rahmen zur Einrichtung passt“, sagt Vischer.

 Vanessa Vischer, Restauratorin und Vergoldemeisterin bei der Arbeit.

Vanessa Vischer, Restauratorin und Vergoldemeisterin bei der Arbeit.

Foto: Raupold, Isabella (ikr)

Er hält Schritt, seit 2007 gemeinsam mit seiner Tochter Vanessa. Die 35-Jährige hat nach der Meisterprüfung als Vergolderin in Rom an verschiedenen kleinen Werkstätten als Vergolderin und Restauratorin gearbeitet und dann am Goering-Institut der Mancher Fachakadamie eine Ausbildung zur Holzrestauratorin gemacht. Auch für sie ist die Arbeit im Familiengeschäft immer noch der Traumberuf, ebenso wie für den Vater: „Ich wollte ihn schon als kleiner Junge. Pilot oder Lokomotivführer zu werden, daran habe ich nie gedacht. “

Die Vischers haben ihr Wissen und ihre Erfahrung weitergegeben, im Lauf der Zeit 13 junge Leute haben bei ihnen die Ausbildung gemacht. Erfolgreich, aber nicht, weil Detlef Vischer lange Vorsitzender der Prüfungskommission an der Berufsschule Düsseldorf war: Sie hatten bei ihm halt sehr viel gelernt. Doch seit sechs Jahren ist hier mit der Ausbildung von Nachwuchs Schluss, aus einem bedauerlichen Grund: Vanessa Vischer war im letzten Vergolder-Jahrgang der Düsseldorfer Berufsschule. Seither gibt es diese Ausbildung in Deutschland nur noch in München. „Auch das gehört zu den Steinen, die man unserem so traditionsreichen Beruf inzwischen in den Weg legt“, sagt Detlef Vischer, Heute würde ich nicht mehr raten, unseren Beruf zu wählen. Die Nachfrage ist aber auch inzwischen zu gering.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort