Serie Denkanstoss Mit Menschenmaß handeln

Mönchengladbach · Für Klaus Hurtz ist es inakzeptabel, dass vor den Toren Europas Menschen beim Sterben zugeschaut wird. Er fordert ein neues Maß - auch bei Steuererklärungen und Zahlungsverpflichtungen.

Der Mai bleibt ein besonderer Monat, ist er doch das große Tor zum Sommer. Nicht umsonst hat er seinen Namen von einer altitalischen Gottheit namens Maius, der als Beschützer des Wachstums verehrt wurde. Im Mai feiern wir seit langer Zeit das Leben; und im christlichen Europa ist die Mutter Gottes als seine Beschützerin auserwählt worden. Damit dieses Leben in unserer hoch differenzierten und freiheitlichen Gesellschaft gelingen kann, bedarf es eines ausgeklügelten Systems von Verhaltensweisen, Regeln und Gesetzen, die alle letztlich dazu dienen, dass wir unser Menschsein entfalten können.

Doch es scheint, dass in der kaum mehr zu übersehenden Vielfältigkeit unserer globalen Welt dieses Ziel immer öfter verfehlt wird, so dass gute Absichten in ihr Gegenteil verkehrt werden. Wir wollen natürlich alle in Sicherheit leben, aber wir können und dürfen Europa nicht immer mehr zu einer Festung ausbauen, hinter deren Mauern wir den Wohlstand genießen, und wir gleichsam von ihren Zinnen anderen vor den Toren beim Sterben zuschauen. Wo in einer solchen Weise Menschlichkeit ad absurdum geführt wird, da wird das Menschsein selbst zerstört.

Wir müssen wieder neu das Maß anlegen, was uns Menschen zukommt, und dabei sollten wir bereits im scheinbar harmlosen Bereich der Administration beginnen. Seit ich politisch denken kann, höre ich das Argument, dass unser Steuersystem vereinfacht werden müsste. Vor vielen Jahren sollte schon einmal ein Bierdeckel ausreichen, um seine Steuererklärung darzustellen. Bis auf den guten Willen hat sich allerdings nichts verändert; die Bestimmungen werden im Gegenteil immer komplizierter und komplexer, so dass mitunter schon einfache Gegebenheiten einen hohen Aufwand an Bürokratie nach sich ziehen, die überfordern und jeglichen Elan im Vorfeld ersticken.

Auch das zweite Beispiel kennt jeder von uns. Will man heute seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen, ist man mit Zahlen- und Buchstaben-Codes konfrontiert, die das menschliche Maß sprengen. Wie ein Schulkind muss man Nullen und Stellen zählen, damit das Geld auf die richtige Reise gehen kann. Für unsere Computer mögen solche Code-Kolonnen das richtige sein, doch eigentlich sind sie menschenverachtend.

Im Mai feiern wir das Leben, das von uns erwartet, dass wir die Welt so gestalten, dass in ihr Menschlichkeit und Menschsein gelebt werden können. Doch immer mehr werden Strukturen geschaffen, die das menschliche Maß verloren haben. Und vielleicht besteht sogar eine innere Wechselwirkung zwischen der Entmenschlichung bürokratischer Vorgänge und unserem sozialen und moralischen Verhalten. Wir müssen das Menschenmaß wiederfinden, immerhin sehen wir doch an Maria seine wahren Dimensionen.

Denn sie zeigt uns, dass wir Menschen fähig sind, an Gottes Heilsplan mitzuarbeiten. So wird Menschenmaß zu Gottes Maß. Deswegen dürfen wir die Gottes Mutter nie vergessen, sollten wir sie gerade im Mai als Mutter des Lebens ehren, weil sie uns diese nicht zu überbietende Größe des Menschen vor Augen führt.

(RP)
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