Serie Die Musikmacher Singt Porr in der Kirche, komponiert er

OPLADEN · Ein leeres Gotteshaus inspiriert den Leverkusener zu neuen Werken. Eines wird im November uraufgeführt.

 Michael Porr weiß genau, welche Werke für Sänger herausfordern.

Michael Porr weiß genau, welche Werke für Sänger herausfordern.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Die Hefte, in die er als 13-Jähriger seine ersten eigenen Kompositionen schrieb, hat Michael Porr gut verwahrt. Und er weiß noch genau, dass sein erstes Stück ein Lied war: eine Vertonung des Mörike-Gedichts „Septembermorgen“. Als Jugendlicher ersann er Musik für seine Instrumente, Klavier und Trompete. Und zu den schönsten Erinnerungen an seine Schulzeit gehört die Aufführung seiner „Vater unser“ -Komposition für vier Blechbläser, Orgel und Chor in einem Weihnachtskonzert in der Kirche. Er habe selbst dabei Trompete gespielt und im Schulchor mitgesungen, erinnert er sich. „Da hatte ich plötzlich einen Kloß im Hals, weil mir das Existenzielle bewusst wurde.“ Er realisierte auf einmal die eigene Individualität, dass es nämlich diese Musik ohne ihn nicht geben würde.

Mittlerweile hat er sich daran gewöhnt, seine melodischen Gedanken und Klangwelten zu hören. Schreibt er doch gezielt für seine Chöre, ein bestimmtes Orchester und für befreundete Musiker wie den Geiger Daniel Draganov. Oder Marco Göhre, mit dem Porr die Sonate für Kontrabass und Klavier aufnahm, die inzwischen viele Youtube-Klicks verzeichnet.

Dass seine Musik unmittelbar aufgeführt wird und nicht stumm in einer Schublade landet, sei der Luxus eines Kirchenmusikers. Der Beruf bringt Erfahrung mit Chören und Orchestern. Er weiß, was gut klingt, was für Kinderstimmen singbar ist, was seinen Bach-Chor heraus-, aber nicht überfordert. Was bringt es, wenn die Sänger nach der zweiten Probe keine Lust mehr haben, weil sie befürchten, das Stück niemals zu schaffen. Weil es nur wenig geeignete Chormusik für den Karfreitag gibt, schrieb er in diesem Jahr selbst eine Motette. Zwei Wochen vorher war sie fertig, so dass zwei Proben reichten. Er hält wenig von l’art pour l’art. Gerade Laienmusiker, die doch ihr ganzes Herzblut investieren, brauchten gute Musik. So hat er nicht immer gedacht, gibt Michael Porr zu.

Im Studium (bei Gustav Adolf Krieg in Düsseldorf) und den ersten Berufsjahren hatte er noch die Vorstellung von einer immer weiter fortschreitenden Musikgeschichte und wollte selbst zu den Neuerern gehören. Er komponierte freitonal und experimentell, probierte grafische Notation. Inzwischen hat er die avantgardistischen Ambitionen abgelegt und fragt: „Was kann nach Cage 4’33’’ noch Neues kommen?“ Dieses Schlüsselwerk der Neuen Musik besteht aus vier Minuten und 33 Sekunden Stille.

Aber nach den 1980ern änderte sich manches, die Stile sind pluralistischer geworden. Mit Wolfgang Rihm kam die Neoromantik, mit Arvo Pärt eine neue meditative Musik. Michael Porr lässt Elemente des Jazz, der Filmmusik oder der Liedpraxis im Stil Kurt Weills zu und sagt: „Ich schreibe Musik wie ich will, wenn sie tonal ist, dann ist das okay.“ Am liebsten komponiert er übrigens weder am Schreibtisch noch am Klavier, sondern singend in seiner Kirche. In der angenehmen Akustik probiert er seine Gedanken, die vor allem eins sein müssen: melodisch.

Die notiert er handschriftlich auf Schmierpapier und überträgt alles erst später auf dem Computer in Reinschrift. Seine persönliche Schlüsselerfahrung war das Singspiel „Schneewittchen“, das er 2001 für seinen Kinderchor schrieb. „Das hat so einen Spaß gemacht, nicht etwas alleine im stillen Kämmerlein zu ersinnen, sondern mit Blick auf die Menschen.“ Was nütze es, Musik zu schreiben, die sein eigener – ein guter – Chor nicht singen könne? Seitdem sind viele kleine Stücke entstanden, diverse Motetten für den Gottesdienst-Gebrauch und Lieder für Kinder. Auch längere Werke wie eine Messe, das Magnificat oder das sinnliche Requiem, das schon 28 Mal von Kollegen in ganz Deutschland aufgeführt wurde. Das freut den Komponisten natürlich besonders.

Ein Traum Porrs erfüllt sich mit seinem jüngsten Opus „Der Zaubertrank“ (die Kinderoper wird am 4. November im Forum uraufgeführt). Es ist sein erstes generationenübergreifendes Projekt, und das erste szenische. Das nächste große Werk soll eine Passion, wahrscheinlich nach Markus, werden. Dazu schwebt Porr eine Mischung von Bibel- und freien Texten vor.

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