Pharma-Industrie Bayer erforscht tumorunabhängige Arznei

Leverkusen · Der Wirkstoff soll die genetische Ursache ausschalten. Die Zulassung in Europa und USA ist beantragt.

 Frank Schöning, Geschäftsführer von Bayer Vital, fordert bessere politische und rechtliche Rahmenbedingungen für die Pharmaindustrie.

Frank Schöning, Geschäftsführer von Bayer Vital, fordert bessere politische und rechtliche Rahmenbedingungen für die Pharmaindustrie.

Foto: Bayer/Bayer/Obenaus

Die Bilder, die Uwe Phillip Strauss zeigt, sind eindrücklich. Ein Mädchen im Teenageralter hat einen großen Tumor auf der linken Brust. Jedes weitere Bild zeigt, wie er schrumpft. Immer, sagt Strauss, funktioniere dies nicht, „sonst hätten wir ein Wundermittel gefunden“. Gefunden hat Bayers Pharma-Sparte aber einen Wirkstoff, der die Krebstherapie ein Stück weit revolutionieren könnte: Larotrectinib.

Laut Bayer ist es „voraussichtlich der erste präzisionsonkologische Wirkstoff in der EU, der eine tumorunabhängige Zulassung anstrebt“. Heißt: Normalerweise wird eine Arznei nach der Indikation entwickelt, also etwa Lungenkrebs. Bei den neuen präzisionsonkologischen Therapien geht es nicht mehr um die Indikation (oder Lage des Tumors), sondern um genetische Veränderungen, die ihn auslösen. „Wenn wir die genetische Ursache ausschalten, dann sollten wir davon ausgehen können, dass sich der Tumor zurückbildet“, sagte Strauss. Und auch davon, dass die Nebenwirkungen geringer seien als etwa bei einer Chemotherapie, die nicht nur gezielt den erkrankten Bereich angreife. Drei klinische Studien sind abgeschlossen, Ende August hat Bayer den Antrag auf Zulassung in Europa und den USA gestellt.

Bis es zur Beantragung einer Zulassung kommt, sagte Frank Schöning, Chef von Bayer Vital, im Jahresmediengespräch jetzt, brauche es Zeit und Geld. Nur eine von 10.000 Substanzen in der frühen Forschung erreichen später überhaupt den Markt, betonte er auch gegen die jüngst aufgekommene Kritik, Bayer habe nichts Nennenswertes mehr in der Arznei-Pipeline.

In dem Zusammenhang wurde der Manager politisch: „Als forschende Arzneimittelhersteller benötigen wir verlässliche Rahmenbedingungen.“ Er spielte auf Amnog, das Arzneimittelneuordnungsgesetz an, durch das seit 2011 die Preisregulierung innovativer Medikamente läuft. Die Preise für neue, patentgeschützte Arzneien werden dabei auf Basis einer Zusatznutzenbewertung bestimmt. Weil Amnog recht starr sei, Daten aus den Studien für das neue Medikament nicht ausreichend berücksichtige, kämen viele Arzneien in Deutschland nicht mehr auf den Markt. Beispiel aus dem eigenen Haus: die Krebsarznei Stivarga. Sie habe Bayer vor einigen Jahren vom Markt genommen, weil die Daten für Amnog nicht relevant genug gewesen seien. Nun werde Stivarga, weil von vielen Patienten genutzt, importiert. Der Manager baut darauf, dass sich dieses Regulierungssystem noch verbessere.

Dennoch: Bayer bekenne sich zu Deutschland. Hier entstehe mit 3,4 Mrd. fast zehn Prozent des weltweiten Umsatzes, hier arbeiteten mit 31.000 rund ein Drittel aller weltweit beschäftigten Mitarbeiter, hierher fließen mit 1,2 Mrd. Euro mehr als 50 Prozent der weltweiten Investitionen. „Und hier zahlen wir rund 50 Prozent der weltweiten Ertragssteuern, rund 800 Mio. Euro“, merkte Schöning an.

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