Chile Sektenarzt flieht nach Krefeld

Chile · Der in Chile mit Haftbefehl gesuchte Sektenarzt Hartmut Hopp will nach Krefeld ziehen und dort Sozialhilfe kassieren. Er war zweiter Mann der chilenischen "Colonia Dignidad", in der Kinder missbraucht und Menschen gefoltert wurden.

Grausamste Verbrechen werden dem Deutschen Hartmut Hopp (66) und seinen Komplizen in Chile vorgeworfen: Entführungen, Folter, sogar Morde sollen in der Deutschensiedlung "Colonia Dignidad" begangen worden sein. Anfang dieses Jahres war Hartmut Hopp erstmals der Prozess gemacht worden: Wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch von Kindern wurde er zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

Am 15. Mai 2011 flüchte Hopp über Paraguay und Argentinien nach Deutschland. Dort lebte er in Willich-Schiefbahn, kassierte sogar Sozialhilfe. Er und seine Frau Dorothea wollen jetzt nach Krefeld ziehen. Sie haben eine Wohnung der Krefelder "Wohnstätte" im Stadtteil Linn angemietet. Drei Zimmer, 515 Euro warm.

Ein Missbrauchsopfer der "Colonia Dignidad", mit dem unsere Zeitung am Freitag sprach, reagiert schockiert: "Wie kann die Justiz dulden, dass dieser Mann frei herumläuft?"

Die Geschichte der Sekte "Colonia Dignidad", in der jahrzehntelang schwere Menschenrechtsverletzungen begangen wurden, beginnt in den Fünfzigern: Der evangelische Jugendpfleger Paul Schäfer leitet bei Siegburg eine "Private Social Mission", ein Erziehungsheim einer freikirchlich-evangelischen Gemeinde. Nachdem in Deutschland Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs laut werden, flüchtet er mit Erwachsenen und Kindern des Heims 1961 nach Chile und gründete dort die "Colonia Dignidad" ("Kolonie der Würde"). Er verspricht "urchristliches Leben im gelobten Land", herrscht despotisch.

Schäfer, ehemaliger Wehrmachtsgefreiter, hält die bis zu 350 Mann starke Gruppe in dem 17 000 Hektar großen Grundstück abgeschlossen von der Außenwelt. Viele Verbrechen werden unter seinem Diktat mit Wissen der Komplizen, wohl auch Hopp, begangen. Dutzende teilweise nach Chile entführte Kinder werden misshandelt.

In der Zeit der Diktatur von Augusto Pinochet (1973-1990) soll die "Colonia Dignidad" als Folterzentrum des Geheimdienstes gedient haben. Hopp war "Außenminister" der Sekte, soll auch Zugang zum Millionenvermögen der "Colonia" haben.

Bei der Krefelder Polizei schrillten am Donnerstag alle Alarmglocken. Lange gab es Hinweise, dass der Sektenarzt Kontakt zur freikirchlichen Gemeinde "Freie Volksmission" in Krefeld hat. Ein Polizist bestätigte gestern: "Wir wissen, dass er dort verkehrt." Festnehmen kann die Polizei Hopp nicht. Der chilenische Ermittlungsrichter Jorge Zepeda hat zwar die Auslieferung beantragt. Der Oberste Gerichtshof in Chile muss aber zustimmen.

Eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums teilte mit: Eine Auslieferung ist laut Grundgesetz unzulässig (Artikel 16 Absatz 2 Satz 1: "Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden."). Das chilenische Urteil könne über die "internationale Rechtshilfe in Strafsachen" übernommen werden. Auch in Deutschland könne ein Strafverfahren eingeleitet werden, wenn die Staatsanwaltschaft Düsseldorf aktiv werde.

Seit einer Woche sanieren die Hopps ihre neue Wohnung in der ersten Etage – gestern halfen Freunde, auch die Familie, Bruder und Adoptivsohn von Hartmut Hopp, waren schon dort. Bei seinen neuen Nachbarn stellte sich Hopp bereits vor: "Guten Tag, wir sind die Hopps", sagte er freundlich. "Wir wollen hier einziehen." Ob es dabei bleibt? Die "Wohnstätte" will ihren neuen Mieter möglichst gar nicht erst einziehen lassen und hat Hopp "um ein Gespräch gebeten".

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