Krefeld "Reißleine" - Sanierung des Stadthauses vor dem Aus

Krefeld · CDU und SPD wollen eine Erhöhung der Sanierungskosten nicht hinnehmen. Das Gutachten von 2016 ist Makulatur; die Gespräche mit dem Denkmalschutz laufen seit eineinhalb Jahren ergebnislos.

SPD und CDU sind nicht bereit, eine deutliche Kostensteigerung für die Sanierung des Stadthauses hinzunehmen. Bislang sind rund 70 Millionen Euro Invest dafür veranschlagt. "Wenn sich die Kosten über den abgesteckten Rahmen deutlich hinausbewegen, dann werden wir die Reißleine ziehen", sagte gestern Jürgen Hengst, planungspolitischer Sprecher der SPD, auf Anfrage.

Auch sein CDU-Kollegen Jürgen Wettingfeld ruft nach einem "Plan B": "Die Frage ist doch, ob die Rahmenbedingungen, die 2016 mit dem Gutachten des Berliner Planungsbüros PSPC abgesteckt wurden, noch belastbar sind", sagte er. Damals sei ein Kostenvorteil der Sanierung gegenüber einem Neubau in Höhe von 4,3 Millionen Euro errechnet worden. Der dürfte dahin sein. Der Stadt läuft die Zeit davon: Allein die Kosten für die Anmietung der Gebäude für die ausgelagerte Verwaltung belaufen sich auf rund 3,5 Millionen Euro pro Jahr.

Hintergrund: Die Verwaltung hat, wie berichtet, in einer Markterkundung mit Firmen, die für eine solche Sanierung in Frage kommen, niederschmetternde Rückmeldungen erhalten. Niemand will das Risiko einer Sanierung in der ausgeschriebenen Form auf sich nehmen.

Zur Historie: Im Juli 2016 hatte Planungsdezernent Martin Linne das Gutachten zum Umgang mit dem Stadthaus vorgestellt. Die Gutachter sollten durchrechnen, was am günstigsten ist: Anmietung dezentraler Räume für die Verwaltung, Sanierung des Stadthauses in Eigenregie der Stadt, Sanierung über ein PPP-Modell (ein Privater saniert, die Stadt mietet an) oder ein Neubau. Ergebnis: Die PPP-Sanierung wäre am günstigesten.

Damals hatte Linne noch voller Optimismus gesagt, der Denkmalschutz habe zugestimmt, einen Großteil der maroden Fenster auszutauschen. Doch diese Frage war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht verbindlich geklärt. "Niemand hat sich damals vorstellen können, dass jedes Fenster, das noch nicht auseinandergefallen ist, saniert werden muss", erinnert sich SPD-Ratsherr Hengst. Immerhin sollte für 70 Millionen Euro ein Gebäude gerettet werden, dass Architekturfachleute als bedeutendes Beispiel der klassischen Moderne einstufen.

Dabei war die Stadt keineswegs leichtfertig davon ausgegangen, Einvernehmen mit dem Denkmalschutz herzustellen. "Wir haben ein Fenster probesaniert", berichte Linne gestern. Ergebnis: Das Fenster war nicht dichtzukriegen; es hätte in den Büros stets gezogen. In der Ausschreibung war schließlich als Kompromiss die denkmalgerechte Sanierung von gut 40 der 376 Fenster des Gebäudes vorgesehen. Doch auch dieser Posten erschien den angefragten Firmen als zu risikoreich in der Kostenkalkulation.

Dazu kam, dass der LVR die Testsanierung plötzlich als Nachweis deutete, dass die Fenster doch saniert werden können. Hinweise aus Krefeld, dass Büros mit zugigen Fenstern nicht der Arbeitsstättenrichtlinie entsprächen, verfingen beim LVR laut Linne genauso wenig wie das Argument, dass man nur mit modernen Fenstern Klimatisierung und Lüftung ohne Klimaanlage hinbekommen würde. Der Einbau einer Klimaanlage aber wäre mit erheblichen Eingriffen in das Gebäude verbunden gewesen.

Jenseits der Fenster barg die Ausschreibung weitere Risiken, die keine Firma tragen wollte: Die Fliesen der Fassade sollten gelöst und wieder angebracht, ebenso die Türen erhalten, sprich aufgearbeitet werden. "Es ist eben etwas anderes, ob man 300 Türen gegen moderne Türen austauscht oder von Hand aufarbeitet", sagt Linne erläuternd.

Eineinhalb Jahre hat die Stadt versucht, mit dem LVR übereinzukommen und die konservatorischen Ansprüche der Denkmalschützer dort zurückzuschrauben - vergeblich. Nun wird es darauf hinauslaufen, dass die Stadt die Ausschreibung überarbeitet und den Austausch von Fenstern und Türen bis auf wenige Ausnahmen einplant. Erteilt die - bei der Stadt beheimatete - Untere Denkmalbehörde ihr Einvernehmen, kann der LVR widersprechen und einen Ministerentscheid einfordern.

Dann würde NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach entscheiden. Gefragt, warum die Stadt diesen Weg nicht viel früher gegangen ist, sagte Linne: "Mit dem heutigen Wissen hätte ich das anders gemacht", man habe lange gehofft, mit dem LVR ohne Streit übereinzukommen. Bis September soll nun die neue Ausschreibung auf den Weg gebracht werden - mit den Änderungen, die die befragten Unternehmen eingefordert haben.

Hengst zeigt sich gestern ebenso erzürnt wie "erschüttert" über die Entwicklung: "Die Obere Denkmalbehörde weiß, dass wir finanziell bei der Rettung dieses Gebäudes an einer Grenze sind; dennoch waren sie nicht bereit, Zugeständnisse zu machen, obwohl kein Mensch sehen würde, dass die Fenster neu und nicht alt sind." Das Gleiche gilt für Fliesen und Türen, betont Linne - auch sie wären optisch nicht vom Original zu unterscheiden.

(RP)
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