Krefeld Mies-Projekt soll auf Krefeld ausstrahlen

Krefeld · Vor zahlreichen Architekturbegeisterten ist am Sonntag das international beachtete Mies-Projekt auf dem Egelsberg eröffnet worden. Ziel ist es auch, in Krefeld das Thema Architektur im öffentlichen Bauen voranzubringen.

 Klare Flächen, Ausblick in die Landschaft: das Mies-Modell eines Golfclubhauses auf dem Egelsberg, unweit der Stelle, wo es errichtet werden sollte. Trotz des unwirtlichen Wetters kamen mehr als 200 Gäste zur Eröffnung.

Klare Flächen, Ausblick in die Landschaft: das Mies-Modell eines Golfclubhauses auf dem Egelsberg, unweit der Stelle, wo es errichtet werden sollte. Trotz des unwirtlichen Wetters kamen mehr als 200 Gäste zur Eröffnung.

Foto: Thomas Lammertz

Vor rund 200 Gästen ist gestern das wohl ungewöhnlichste Ausstellungsprojekt seit langem in Krefeld eröffnet worden, das als "begehbares Architekturmodell" auch international Beachtung findet: "Mies 1:1", der Nachbau eines Golfclubs auf dem Egelsberg in Originalgröße nach Plänen des Weltarchitekten Ludwig Mies van der Rohe. Das Projekt sei ein Beleg, dass Krefeld "etwas Einzigartiges in die Welt setzen kann", sagte Oberbürgermeister Gregor Kathstede in seinem Grußwort. Projekt-Kuratorin Christiane Lange gab in ihrer Eröffnungsrede der Hoffnung Ausdruck, dass das Projekt Impulsgeber dafür ist, "das Thema Architektur für Krefeld zu aktivieren".

 Zentrale Elemente bei Mies sind Aus- und Durchblicke in die Landschaft. Hinten erkennbar: weiße Vorhänge, die bei Veranstaltungen ausgebreitet werden.

Zentrale Elemente bei Mies sind Aus- und Durchblicke in die Landschaft. Hinten erkennbar: weiße Vorhänge, die bei Veranstaltungen ausgebreitet werden.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Architekt Paul Robbrecht bezeichnete das Ganze in seinem Gruß kurzerhand als "miracle", als Wunder, und Projektplaner Wolfgang Melchert sagte, dass er, als Christiane Lange ihm die Idee zu einem begehbaren Architekturmodell vorstellte, gedachte habe: "Die Frau ist verrückt." Doch die Idee erwies sich als durchschlagend. Frau Lange betonte, dass die Geldgeber für die privat finanzierte Aktion aus ganz Deutschland (etwa Hamburg) und der Schweiz kämen und sich mit Beträgen zwischen 5000 und 100 000 Euro beteiligt hätten. Wichtig sei allerdings die bedeutende "Anschubfinanzierung" durch die Sparkassenstiftung gewesen, betonte sie — so sei es später leichter gewesen, weitere Spenden zu sammeln.

 Noch ist die Decke nicht ganz verkleidet – die Eleganz der Proportionen ist aber sichtbar.

Noch ist die Decke nicht ganz verkleidet – die Eleganz der Proportionen ist aber sichtbar.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Kathstede betonte, die private Finanzierung habe Stadt und Politik die "Zwickmühle erspart, Kita-Plätze gegen Architekturvisionen aufzurechnen". Sein besonderer Dank galt dem Engagement von Frau Lange. "Ich lege Ihnen meine Bewunderung zu Füßen", sagte er und dankte, "dass Sie uns Mies van der Rohe noch einmal geschenkt haben". Er erinnerte daran, dass die Zustimmung zu dem Projekt nicht selbstverständlich sei, und daran, dass die Stadt sich mit moderner Kunst, wie sie der frühere Museumsleiter Paul Wember nach Krefeld ins Kaiser-Wilhelm-Museum geholt habe, schwergetan hätte. Die spätere Entwicklung habe Wember aber Recht gegeben — "und seitdem sind die Krefelder vorsichtig geworden mit Negativ-Urteilen über moderne Kunst", sagte Kathstede.

 Die Großzügigkeit der Mies'schen Ästhetik mit ihren klaren Linien ist in dem durch helles Holz geprägten Modell wunderbar sichtbar.

Die Großzügigkeit der Mies'schen Ästhetik mit ihren klaren Linien ist in dem durch helles Holz geprägten Modell wunderbar sichtbar.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Frau Lange erinnerte in ihrer Eröffnungsrede an Mies' enges Verhältnis zu Krefeld über ein Jahrzehnt. Der Mann, der zu den drei bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts gehöre und heute so etwas wie ein "god of architecture" (Lange) sei, habe zehn Projekte in Krefeld angegangen, darunter den 1930 erstellten Plan für das Golfclubhaus, das jetzt auf dem Egelsberg als 1:1-Modell besichtigt werden kann. Alle Elemente, die ihn weltberühmt machen sollten und bereits 1929 beim Bau des Pavillons für die Weltausstellung in Barcelona für Furore gesorgt hatten, fänden sich in den Clubhaus-Plänen wieder: die Öffnung zur Landschaft hin, die Aufhebung der räumlichen Abgeschlossenheit, die Verzahnung von Innen- und Außenraum.

 Ideengeberin und Kuratorin Christiane Lange mit Oberbürgermeister Gregor Kathstede. Frau Lange wurde von den Gästen begeistert gefeiert.

Ideengeberin und Kuratorin Christiane Lange mit Oberbürgermeister Gregor Kathstede. Frau Lange wurde von den Gästen begeistert gefeiert.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Frau Lange betonte einmal mehr die Bedeutung Krefelds als Mies-Stadt: Drei von acht in Europa erhaltenen Mies-Bauten stünden in Krefeld die Doppelvilla Lange/Esters, das Färberei- und HE-Gebäude sowie ein Bürogebäude der Verseidag. Frau Lange würdigte auch die gute Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung, die maßgeblich zum Gelingen des Projekts beigetragen habe: "Es wird ja viel gemeckert über die Verwaltung; ich weiß nicht, ob das ein Grundprinzip ist. Wir jedenfalls haben die Zusammenarbeit als sehr positiv erfahren." So habe Planungsdezernent Martin Linne mit seiner juristischen Bewertung des Baukörpers als Skulptur die Weichen für die Genehmigung der Aktion im Landschaftsschutzgebiet durch die Bezirksregierung Düsseldorf gestellt.

Das unfreundliche, kühle Wetter der letzten Wochen hat nicht nur die Eröffnungsgäste geplagt, sondern auch den Zeitplan der Bauleute durcheinandergebracht. So ist der Komplex noch nicht komplett fertig. Vom Flugplatz Egelsberg aus gesehen, macht das Ganze sogar noch einen recht unaufgeräumten Eindruck — Baumaschinen und Holzreste sowie ein aufdringlich blaues Dixi-Toilettenhäuschen bestimmen das Bild.

Erst dann, wenn man zu dem Modell hochgeht und sieht, wie es sich langsam aus dem Kornfeld zu erheben scheint, und wenn sich dann aus dem Gebäude heraus Blicke in die Landschaft ergeben, entfaltet sich auch der elegant-leichte Zauber des Flachbaus. Wer es gestern nicht geschafft hat, dem sei also der Besuch in ein paar Tagen empfohlen, wenn das Gebäude komplett fertiggestellt ist — festes Schuhwerk ist ratsam.

(RP/EW)
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