Krefeld Ex-Vize-Kanzler spricht vor Krefelder Genossen
Krefeld · Das SPD-Urgestein Franz Müntefering widmete sich der Ostpolitik und hob das Privileg der Demokratie hervor.
Die zwei mächtigen Flaggenmasten vor der Burg Linn grüßen den ehemaligen SPD-Vorsitzenden und Vize-Kanzler Franz Müntefering schon von weitem. Er ist nach Krefeld gekommen, um Parteimitgliedern zu deren Jubiläen zu gratulieren, und zu seinen Ehren hängen jetzt riesige SPD-Fahnen vor dem Eingangsportal der Burg.
Im großen Rittersaal mit seinem staubig wirkenden Holzboden und den beeindruckenden Kerzenleuchtern haben die Genossen ihrem Idol eine Bühne aufgebaut. Der Raum ist durchaus schick, aber nicht piekfein, die Sozialdemokraten kokettieren mit ihrem bodenständigen Image.
Bürgermeister Frank Meyer greift zur Begrüßung Münteferings ein Zitat des 73-Jährigen auf, der einst behauptete, das Amt des SPD-Vorsitzenden sei für ihn das schönste nach dem des Papstes. "Du warst sogar zweimal oberster Genosse, das kann ein Papst nicht schaffen." Gelächter im Saal, und Müntefering tritt unter Applaus der gut 50 Parteimitglieder auf die Bühne. "Wenn es die SPD nicht gäbe, wären Demokratie und Gleichberechtigung nicht in dem Maße möglich, wie wir sie heute als Fortschritt begreifen", legt das Urgestein flammend los.
Schwarzer Anzug, graue Krawatte, schlanke Statur: Der ehemalige Arbeitsminister wirkt auch gegen Ende seiner politischen Laufbahn — bei der kommenden Bundestagswahl will er nicht mehr kandidieren — gestählt und aktiv wie zu seiner Blütezeit. Er spricht ausführlich über die 1960-er Jahre, in denen viele der anwesenden Jubilare in die Partei eingetreten sind. "Die Bundesrepublik war damals ein ziemlich vermieftes Land, teilweise reaktionär. Es gab zunächst keine wirkliche Aufarbeitung des Nationalsozialismus."
Besonders die Verdienste Willy Brandts würdigt Müntefering intensiv, spricht immer wieder von dessen erfolgreicher Ost-Annäherung. "Ihr müsst den Wandel suchen und nicht die Welt in Ost und West geteilt lassen", dies sei eine der beeindruckendsten Botschaften, die der damalige Kanzler mitgegeben habe. In seiner 35-minütigen Rede kommt Franz Müntefering gänzlich ohne Manuskript aus.
Weitgehend sparsam geht der 73-Jährige mit Gesten um, spreizt nur hier und da die Finger, wenn es ihm besonders wichtig ist, und klammert die Hände ansonsten an das hölzerne Rednerpult. Als elementare Aufgabe der Gegenwand begreift er es, die Demokratie zu verteidigen. "Die größte Gefahr besteht darin, zu glauben, dass nicht alle Menschen gleich sind."