Bloggerin aus Krefeld Corona-Blog aus dem Altenheim

Krefeld · Seit Anfang März gelten für Altenheim-Bewohner starke Kontaktbeschränkungen. Katrin Sickert lebt im Gerhard-Tersteegen-Haus und berichtet in ihrem Online-Tagebuch vom Alltag im Lockdown.

 Katrin Sickert lebt im Gerhard-Tersteegen-Haus und berichtet über das Leben mit Kontaktsperre im Altenheim in ihrem Blog.

Katrin Sickert lebt im Gerhard-Tersteegen-Haus und berichtet über das Leben mit Kontaktsperre im Altenheim in ihrem Blog.

Foto: Strücken,Lothar/Strücken, Lothar (slo)

Die Nachricht, dass es noch bis in den Juni hinein dauern könnte, bis vielleicht Lockerungen für Bewohner von Pflegeeinrichtungen möglich werden, hat Katrin Sickert bis ins Mark erschüttert. Sickert wohnt im Gerhard-Tersteegen-Haus und beschreibt das Gefühl, wegen der Corona-Krise in totaler Isolation leben zu müssen als „Ich fühle mich wie der Panther im Zoo“. Sickert ist 52 Jahre alt und aufgrund ihrer Multiple-Sklerose Erkrankung schon im Alter von 46 zum Pflegefall geworden. Mit der Corona-Krise ist auch das letzte bisschen Selbstständigkeit vorerst weg.

„Wie lange wird es noch dauern, bis ich raus aus dem Heim kann, einfach mal um den Block rollen, wieder selber einkaufen gehen, durch den Park stromern, einfach mal raus aus der mittlerweile auf mich sehr beklemmend wirkenden Isolation?“, fragt Katrin Sickert sich. Mit dem Gefühl, Selbstständigkeit aufgeben zu müssen, kennt sie, die so jung zum Pflegefall wurde, sich eigentlich aus. Die jetzige einengende Situation jedoch hat sie noch einmal sehr heftig getroffen.

Über ihre Gefühle im Lockdown schreibt sie – nicht nur in Zeiten der Krise – fast jeden Tag in ihr Online-Tagebuch, den Blog „musikhai.com“. Momente der Traurigkeit und Wut über die Situation sind dort ebenso festgehalten wie Erlebnisse, die ihr und den anderen Bewohnern Hoffnung machen und Kraft geben. So berichtet Katrin Sickert von den Besuchen von Pfarrerin Christine Grünhoff, die gemeinsam mit Kirchenmusikerin Anke Tebbe-Tänzler auf der Straße vor dem Gerhard-Tersteegen Haus Musik gemacht hat.  Sie selbst und viele andere Bewohner seien deswegen gerührt und dankbar gewesen. „So kommt die Kirche zu uns“, erzählt Sickert, die die regelmäßigen Gottesdienste in der Einrichtung vermisst. Diese gelebte Gemeinsamkeit in Zeiten strenger Abstandsregeln spende jedoch Trost in der schweren Zeit: „Unsere Hirtin vergisst uns nicht“, sagt Katrin Sickert. „Das ist einfach klasse, dass sie mit uns singt.“

 Einmal wöchentlich ist im Gerhard-Tersteegen-Haus derzeit „Tag der offenen Fenster“. Ausgestattet mit Lautsprecher und Gitarre laden Pfarrerin Christine Grünhoff und Kirchenmusikerin Anke Tebbe-Taenzler die Bewohner zum „Fenstersingen“ ein.

Einmal wöchentlich ist im Gerhard-Tersteegen-Haus derzeit „Tag der offenen Fenster“. Ausgestattet mit Lautsprecher und Gitarre laden Pfarrerin Christine Grünhoff und Kirchenmusikerin Anke Tebbe-Taenzler die Bewohner zum „Fenstersingen“ ein.

Foto: Katrin Sickert

Die strengen, Corona bedingten Regeln haben gravierende Auswirkungen auf den Alltag im Heim. Die gemeinsamen Mahlzeiten im Speisesaal sind gestrichen, alle Bewohner müssen auf dem eigenen Zimmer alleine essen. Den eigenen Wohnbereich – es gibt vier – darf keiner verlassen, nur im hauseigenen Garten ist es noch möglich, frische Luft zu schnappen. Doch auch hier müssen Katrin Sickert und die anderen noch mobilen Bewohner Einschränkungen hinnehmen. Der Garten des Gerhard-Tersteegen Hauses und des benachbarten Seidencarrés stoßen aneinander, beide durften anfangs von allen Bewohnern genutzt werden. „Das Gefühl, eingesperrt zu sein, hat sich durch den Garten halbwegs ertragen lassen“, berichtet die Bloggerin. Zu Beginn der dritten Woche Ausgangssperre wollte sie wie immer bei schönem Wetter zu ihrem Lieblingsplatz in den geschützteren Garten des Seidencarrés rollen. „Da traf mich der Schlag, ich hätte schreiben, toben und wüten können“, beschreibt sie ihre unbändige Wut, als plötzlich eine Barriere aufgebaut war und dieser Teil des Geländes nicht mehr zugänglich für die Heimbewohner war.  Heute schüttelt sie über ihre erste heftige Reaktion nur den Kopf. „Es ist hier  wirklich alles hervorragend organisiert“, sagt sie. „Es ist zu unserem Besten und die Einrichtungsleitung hat ja Recht mit ihrer Vorsicht.“ Sickert hilft es auch, sich im Internet über Sinn und Zweck der Regeln zu informieren. Sie, studierte Pharmazeutin und Apothekerin, sagt: „Naturwissenschaftliche Erklärungen haben mich schon immer überzeugt.“

Die strengen Heimregeln, sagt Katrin Sickert, hätten sich bislang hervorragend bewährt: „Bis jetzt gibt es zur großen Erleichterung aller keinen einzigen Verdachtsfall von Covid 19 im Gerhard-Tersteegen-Haus.“

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