Kalkar Alternative Kneipen in Kalkar geben auf

Kalkar · "Zeitlos" am Markt hat schon geschlossen, "Jenseits" am Kirchplatz ist als "kultiges Ladenlokal" zu mieten. Beide Lokale boten mehr als Bier und Snacks. Live-Musik, Kabarett, Kunstausstellungen. Lesungen und mehr Kulturelles gab es dort.

 "Geschlossen!" – auf einer Tafel an der Eingangstür zum "Zeitlos" am Kalkarer Markt steht es Weiß auf Schwarz: Die Zeiten, in denen Bands in der Musikk-Kneipe Konzerte gaben, sind vorbei.

"Geschlossen!" – auf einer Tafel an der Eingangstür zum "Zeitlos" am Kalkarer Markt steht es Weiß auf Schwarz: Die Zeiten, in denen Bands in der Musikk-Kneipe Konzerte gaben, sind vorbei.

Foto: Gottfried Evers

Die Terrassenstühle sind hoch gestapelt, die Sonnenschirme stehen zusammengeklappt vor dem Lokal, auf der Tafel links neben der Eingangstür steht unter der Überschrift "Zeitlos aktuell" nichts geschrieben, auf der links neben der Tür ist nur ein einziges Wort zu lesen: "Geschlossen!"

Die "Zeitlos"-Internetseite zeigt noch, dass in der Gaststätte an der Ecke Monrestraße/Marktplatz noch vor nicht so langer Zeit — nicht nur zum Public-Viewing zur Fußball-EM auf dem Markt — richtig was los war: 8. September "Ain't no Before", 11. September Garda und Lestat Vermon, 7. Oktober "Amanda Rogers and The Pleasants", 27. Oktober "Acoustical South", 2. November Timo Gross. Doch seither war es still geworden in der Musik-Kneipe.

Einige Schritte weiter — am Kirchplatz 3 — kündigt ein Plakat an der Eingangstür zum "Jenseits" für den 15. Dezember ein Konzert der Band "Fast Slow Down" an — allerdings mit dem Zusatz: "zum letzten Mal im Jenseits". Im Fenster hängt ein Schild einer Immobilienhändlerin: "Ladenlokal zu vermieten". Auf ihrer Internetseite wird das "Jenseits" als "kultiges Ladenlokal in zentraler Lage" für 1000 Euro Warmmiete pro Monat angeboten.

Die Wirte der beiden Lokale wollen sich derzeit nicht zum "Aus" ihrer Lokale äußern. Die Reaktionen in der Nikolaistadt sind aber einhellig. "Sicher zu bedauern" ist die Entwicklung laut Stadtsprecher Harald Münzner. Zumal sich beide Gaststätten mit ihrem kulturellen Angebot "viel Anerkennung" erworben hätten. "Richtig, richtig schade" findet die Schließung der alternativen Kneipen der Vorsitzende des Werberings Kalkar aKtiv und Geschäftsführer des "Wunderlands Kalkar", Han Groot Obbink. Das mit 36 Jahren jüngste Mitglied des Kalkarer Rates, Ralf Janssen (CDU), formuliert es drastischer. "In dieser Hinsicht blutet Kalkar aus", meint der Lokalpolitiker. Ohne "Zeitlos" und "Jenseits" gebe es für jüngere Leute zwischen 20 und 40 Jahren in Kalkar kaum noch eine passende Kneipe.

Dabei hätte das Konzept der Lokale — so meinen sowohl Ralf Janssen als auch Han Groot Obbink — ideal zu Kalkars Gastro-Szene gepasst: Erst in einem der Restaurants am Markt lecker essen, dann in einer der Kultur-Kneipen den Abend entspannt, unterhaltsam ausklingen lassen. "Für Kalkar ist es ungemein wichtig, dass es eine solche Kombination von guten Restaurants und anspruchsvollen Kneipen gibt", meint der Vorsitzende von Kalkar aKtiv.

Warum das Konzept — zumindest im "Zeitlos" — dennoch nicht rentabel funktioniert hat, ist Ralf Janssen "eigentlich unerklärlich". Han Groot Obbink kann nur spekulieren: zu wenig Innen- und Außenfläche, zu hohe Miete, zu hohe Kosten aufgrund der Live-Konzerte , zu wenig Umsatz. Zwar ist der Erfolg eines Lokals seiner Meinung nach hauptsächlich vom Engagement des Betreibers abhängig, allerdings könnten auch von der Stadt oder dem Vermieter Bedingungen geschaffen werden, die Erfolg möglich machten: geringere Miete, Bereitstellung von mehr Terrassenflächen auf dem Markt. "Welcher Platz in Kalkar könnte für eine Außengastronomie schöner sein als der unter der Linde", fragt Han Groot Obbink.

Der Wirt der "Bürgerstube" auf der Altkalkarer Straße, Jos van Os, der auch in Kleve Gastronom im "Biertönnchen", "Katzenhof" und "Lindenhof" war, meint: "In Kalkar gibt es Kundschaft für zwei, drei Gaststätten, aber nicht für mehr. Und wenn man für Live-Musik Eintritt kassiert, wird es noch schwieriger", sagt der 56-Jährige, der seit 35 Jahren in der Gastronomie arbeitet.

Auch für sein Lokal sieht Jos van Os pessimistisch in die Zukunft. Wenn das Rauchverbot gelte, werde es ganz hart für ihn. "90 Prozent meiner Gäste sind Raucher", sagt der Wirt. "Zwei Monate" gibt Jos van Os sich und seiner "Bürgerstube" nach dem Inkrafttreten des Rauchverbotes im kommenden Frühjahr. Dann werde er sehen, ob er überleben könne. Große Hoffnungen macht er sich nicht.

Im "Jenseits" steigt am 29. Dezember ab 20 Uhr bei freiem Eintritt eine After-Weltuntergangs-Party. Auf der "Jenseits"-Internetseite ist dazu zu lesen: "Am 21. Dezember geht die Welt unter. So steht es im Maya-Kalender geschrieben. Aber wen interessiert das schon? Viel wichtiger ist doch, dass die Bude bis dahin aufgeräumt ist, dass man genug Bier eingekauft hat und dass die bunte Wäsche gewaschen und ordentlich gebügelt ist. Was sollen denn die Leute denken, wenn man unordentlich mit der Welt untergeht?" Das klingt nicht unbedingt nach Endzeit-Stimmung. Die Hoffnung — auch die der Kalkarer Kneipen-Fans — stirbt eben zuletzt.

(RP)
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