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Serie "Hochschulort Kamp-Lintfort" Forscher entwickeln Navi-App für ÖPNV

Moers · Das mobile System fürs Smartphone soll körperlich und geistig beeinträchtigte Menschen sicher durch den öffentlichen Personenverkehr navigieren. Es passt die Reiseroute der aktuellen Verkehrslage und dem Gesundheitszustand an.

 Die Analyse beispielhafter Reiseszenarien hilft dem Forscherteam um Professor Ressel, das Navi-System benutzerfreundlich zu gestalten.

Die Analyse beispielhafter Reiseszenarien hilft dem Forscherteam um Professor Ressel, das Navi-System benutzerfreundlich zu gestalten.

Foto: Seybert

Herr Kosa ist 40 Jahre alt und wohnt in Bielefeld. Er kann weder lesen noch schreiben, außerdem beeinträchtigt eine Demenz sein Kurzzeitgedächtnis. Seine Eltern besucht Herr Kosa regelmäßig, der Weg dorthin mit der Buslinie 302 bis "Melling Straße" ist ihm bekannt. Dennoch ist er aufgeregt und unsicher, wenn er auf Reisen geht. Schließlich durchbrechen unerwartete Ereignisse — Haltestelle verlegt, viele Busse am Bahnsteig, Stau — seine Routine. Manchmal vergisst er auch einfach nur, warum er eigentlich unterwegs ist.

Herrn Kosa gibt es nicht wirklich. Er ist einer der prototypischen Benutzer des öffentlichen Personenverkehrs (ÖPV), die ein Forschungsteam der Hochschule Rhein-Waal für das Projekt "Mobil im Leben" entwickelt hat. Seine Beschwerden sind nicht erfunden: Besonders für ältere Menschen oder solche mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen ist das Bus- und Bahnfahren eine Herausforderung. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie die Forschungsinitiative "Von Tür zu Tür" ausgerufen und fördert das Verbundprojekt "Mobil im Leben", an dem Verkehrsbetriebe, Gesundheitsdienstleister und Hochschulen aus der Region Bielefeld/Ostwestfahlen-Lippe und dem Niederrhein beteiligt sind, darunter die Fakultät Kommunikation und Umwelt der Hochschule Rhein-Waal aus Kamp-Lintfort. Ein kleines Team aus drei Studentischen Hilfskräften und zwei Wissenschaftlichen Mitarbeitern um Professor Christian Ressel und seinen Kollegen Professor Ido Iurgel arbeitet seit April 2013 an einem mobilen Navigationssystem, das den Reisenden sicher von Tür zu Tür führt. Für Herrn Kosa etwa bedeutet dies: automatische Navigation zur Ersatzhaltestelle, ein akustisches Signal "Das ist dein Bus", der Hinweis aufzustehen, sich als Fahrgast erkennbar zu zeigen, einzusteigen. Außerdem erinnert ihn ein dynamisches Signal daran, dass er zu seinen Eltern fährt, dass er keine anderen Fahrgäste um Hilfe bitten muss, weil er ein Navigationshandy hat und wann er auf den Halteknopf drücken, sich fertig machen und aussteigen soll. "Wir wollen Menschen mit Beeinträchtigungen in die digitale Welt von heute integrieren", sagt Projektleiter Professor Ressel. Geplant ist eine Smartphone-App, die via Internet Echtzeitsignale erhält und die Reiseroute automatische aktualisiert. Ebenfalls in Überlegung sind eine Datenbrille, welche die Informationen teilweise in das Sehfeld einblendet, sowie ein Knopf im Ohr. "Auf jeden Fall muss das System neben der sicheren Navigation eine emotionale Unterstützung sein", betont Ressel. "Dabei helfen Zwischensignale: Du bist jetzt hier und musst als nächstes dorthin."

Im März 2016 soll das Navi-System einsatzbereit sein, aktuell befindet sich das Team in der Analysephase. Dazu hat es in Kooperation mit der Bethel-Stiftung im Alltag beeinträchtigte Menschen beobachtet, nach ihren Anforderungen und Wünschen an ein solches Hilfsmittel befragt und danach verschiedene Prototypen wie die von Herrn Kosa entwickelt. Schritt für Schritt werden einzelne Reiseszenarien durchgespielt und analysiert. Die Ergebnisse zeigen, welche nötigen Eigenschaften das Navigationssystem aufweisen soll. Besondere Herausforderungen sind dabei die Visualisierung sowie Kommunikation zwischen Nutzer und System, System und Nutzer. Menschen ohne Zeitgefühl etwa kann ein sich immer mehr ausfüllender Balken die verbleibende Dauer der Reise vermitteln, häufig angesteuerte Zielorte wie das Elternhaus Herrn Kosas könnten als Symbol in einer Favoritenliste angewählt werden. "Ein weiteres Problem ist die Privatsphäre", stellt Professor Ressel fest. "Es bleibt zu klären, inwieweit das Bewegungsprofil des Nutzers zum Beispiel für Betreuer einsehbar sein oder privat bleiben soll." Info In der nächsten Folge stellen wir vier Stipendiatinnen vor.

(RP)
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