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Hilden Zufälliges Wiedersehen nach 75 Jahren

Hilden · Sie kennen sich aus dem Kindergarten Ende der 1930-er Jahre. In der Tagespflege trafen sich die Hildenerinnen wieder.

 Elfriede Holz (92) , links, die ehemalige Kindergartenhelferin und ihr damaliger Schützling, Anneliese Schmitt (80). Beide haben ihr Leben in Hilden verbracht: geheiratet, Kinder großgezogen, gearbeitet und Verwandte gepflegt.

Elfriede Holz (92) , links, die ehemalige Kindergartenhelferin und ihr damaliger Schützling, Anneliese Schmitt (80). Beide haben ihr Leben in Hilden verbracht: geheiratet, Kinder großgezogen, gearbeitet und Verwandte gepflegt.

Foto: Olaf Staschik

Elfriede Holz (Jahrgang 1922) und Anneliese Schmitt (Jahrgang 1934) kommen immer dienstags in die Tagespflege des Seniorenzentrums der Stadt Hilden am Erikaweg. "Eines Tages war Frau Holz ganz unruhig, ging mehrfach an Frau Schmitt vorbei und sprach sie dann an. Sie fragte sie, ob sie die Anneliese sei", erinnert sich Tagespflegeleiterin Stella Jurisa. Elfriede Holz, die 92-Jährige, ergreift gleich das Wort: "Ich war mir sicher, sie zu kennen. Sie war damals bei mir in der Gruppe im Kindergarten. An der Schulstraße."

Frau Schmitt war sehr erstaunt und bestätigte, dass sie damals in den 30er Jahren in genau diesem Kindergarten gewesen ist: "Da muss ich etwa vier Jahre alt gewesen sein. Meine Mutter musste damals arbeiten. Sie hat mich immer vor der Arbeit mit dem Fahrrad dort hingebracht." Aber während sie sich an die junge Kindergärtnerin von damals nicht erinnern konnte, beteuert Elfriede Holz: "Ich habe sie gleich an ihrem Aussehen wiedererkannt. Sie sieht noch genau so aus wie damals."

Holz hatte rund 30 Kinder in der Gruppe, die sie ganz alleine betreute: "Das war damals so üblich." Sie sei Ende der 30er Jahre gerade in der Diakonie in der Ausbildung zur "Kindergartenhelferin" gewesen, weil ihre Eltern es so entschieden hatten, und sie war froh darüber: "Der Kindergarten unter der Leitung von Diakonisse Elisabeth Berthen war der beste in NRW", behauptet sie. Kein Kind habe den Hitlergruß zeigen müssen. "Sie hat die Mütter und die Väter zu Reparaturen und Handarbeiten herangezogen und Firmen gefunden, die den Kindergarten finanziell unterstützt haben." Wenn Elfriede Holz an den Kindergarten zurückdenkt, ist sie kaum zu bremsen vor Begeisterung. Sie hat "gerne dort gearbeitet, spät geheiratet und lange meine Mutter gepflegt. Später dann habe ich meinem Bruder in seinem Geschäft geholfen."

 Anneliese Schmitt als etwa Vierjährige im Kindergarten Schulstraße. "Wir wurden dort regelmäßig fotografiert", erinnert sie sich.

Anneliese Schmitt als etwa Vierjährige im Kindergarten Schulstraße. "Wir wurden dort regelmäßig fotografiert", erinnert sie sich.

Foto: Privat

Stella Jurisa war und ist mehr als verblüfft darüber, dass sich Holz nach all den Jahren an ein einzelnes Kind erinnern und es sogar nach Jahrzehnten als mittlerweile alte Dame wiedererkennen kann: "Inzwischen hat Frau Schmitt ein Foto aus dieser Zeit mitgebracht. Ähnlichkeiten sind zwar da, aber ein Erkennen nach über 70 Jahren ist durchaus erstaunlich", sagt sie. Schmitt guckt fasziniert auf das Foto und sagt: "Ich wundere mich, dass ich etwas Gehäkeltes anhabe. Meine Mutter konnte gar nicht häkeln." Vielleicht war es ja eine der Teilnehmerinnen an den Mütterabenden, die für sie gehandarbeitet hat. Holz guckt auf das Foto und sagt: "Anneliese war ein ganz liebes Kind."

Andererseits komme es immer mal wieder vor, dass sich alte Menschen nach Jahrzehnten erstmals in der Tagespflege wiedersehen. Vor kurzem war eine Dame mit ihrer Tochter bei ihnen in der Beratung. Plötzlich entdeckte sie unter den Besuchern ein bekanntes Gesicht: "Das ist Karl-Heinz. Mit dem war ich in der Grundschule", habe die betagte Frau gesagt.

Stella Jurisa möchte möglichst vielen alten Leuten Mut machen, die Tagespflege auszuprobieren: "Hier ist keine Gruppenbespaßung und niemand wird zu irgendetwas gezwungen." Das Angebot beinhalte feste Rituale wie die morgendliche Zeitungslektüre, die Gymnastik, aber die Teilnahme daran sei freiwillig. "Einer der Männer schläft immer zwischendurch ein", erzählt sie. Hilfestellungen für die Gebrechlichen unter den Tagespfleglingen finde diskret statt und für den Rest der Gruppe kaum wahrnehmbar.

Elfriede Holz und Anneliese Schmitt wollten übrigens beide nicht in die Tagespflege gehen und ließen sich lange bitten, bevor sie einem ersten Beratungsgespräch zustimmten: "Meine Tochter hat gesagt, du machst das jetzt und mein Enkel hat hinzugefügt: sonst kommst du ins Altersheim", erzählt die resolute Elfriede Holz. Auch Anneliese Schmitt zierte sich, obwohl sie zugibt: "Immer alleine zu Hause sein, ist manchmal ätzend." Inzwischen sind beide froh, dass sie sich überreden ließen - und kommen gerne.

(RP)
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