Flüchtlingsarbeit Stadt Haan will Flüchtlinge selbst betreuen

Haan · Um Ausschreibungspannen zu vermeiden und Kontinuität zu gewähren, soll Stadtpersonal künftig das Betreuungsmanagement übernehmen. Die Politik ist meist angetan. Doch das Vorhaben ist gesellschaftlich umstritten.

 Das Bild entstand bei einem Elternsemiar für Flüchtlingsfamilien, das die Caritas angeboten hatte. Bis Ende 2019 kümmerte sich der Wohlfahrtsverband um das Betreuungsmanagement.

Das Bild entstand bei einem Elternsemiar für Flüchtlingsfamilien, das die Caritas angeboten hatte. Bis Ende 2019 kümmerte sich der Wohlfahrtsverband um das Betreuungsmanagement.

Foto: Caritas-Kreisverband Mettmann

Von Peter Clement

Noch hat das Unternehmen European Homecare coronabedingt mit der Flüchtlings- und Obdachlosenbetreuung in Haan gar nicht richtig begonnen, da könnte das Engagement auch schon fast wieder beendet sein. Am 31. Dezember kommenden Jahres läuft der Vertrag wieder aus – und es verdichten sich die Anzeichen, dass es danach wohl nicht mehr weitergehen dürfte.

Die Stadtverwaltung  lässt momentan jedenfalls keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie  auf Dauer diese Arbeit selber übernehmen kann. Die GAL hatte eine Anfrage in diese Richtung gestellt und sah sich im Sozialausschuss jetzt freudig überrascht von der umfangreichen Vorlage, die dazu erarbeitet wurde.

Im Rathaus sieht man einen ganzen Strauß an Vorteilen,  wenn man die Betreuungsleistungen künftig nicht mehr ausschreiben müsste, sondern durch eigene Kräfte erbringen könnte: Demnach würde die Bezugsperson nicht so oft wechseln, mit den ehrenamtlichen Unterstützern sei „langfristige und verlässliche Netzwerkarbeit“ möglich, Fachwissen ginge ohne Anbieterwechsel nicht mehr verloren  – das sind nur drei von acht Punkten, die Stadt auf der Positiv-Seite aufgelistet hat. Zudem identifizierten sich eigene Kräfte besser mit der Aufgabenstellung und Zielerreichung. Und den Geldbeutel schonen würde das Modell vermutlich auch noch: Rund 55.000 Euro ließen sich der Vorlage zufolge dabei jährlich einsparen.

Wichtigster Punkt jedoch: Ein Anbieterwechsel alle zwei Jahre, wie bei dem Ausschreibungsmodell theoretisch möglich, könnte auf diese Weise vermieden werden. Kein Wunder also, dass ein Großteil der Politiker – von CDU über SPD bis GAL – fast euphorisch auf das Papier reagierte.

Allerdings hat die Verwaltung auch diverse negative Effekte  ausfindig gemacht: Das Risiko für die Stellenbesetzung und Personalausfälle liegt ausschließlich bei der Stadt. Angesichts des Fachkräftemangels in sozialen Berufen keine Kleinigkeit. Auf Veränderungen etwa bei der Anzahl der zu betreuenden Bewohner der städtischen Unterkünfte kann weniger spontan reagiert werden. (Bei regelmäßigen Ausschreibungen kann über die Leistungsbeschreibung eine ständige Anpassung erfolgen). Hinzu kommen notwendige Fortbildungen.

Vom Ausschuss fast gar nicht diskutiert wurde jedoch ein Aspekt, der gerade bei den Sozialverbänden momentan mit Besorgnis beobachtet wird: Mit dem Eigen-Engagement würde Haan vom Subsidiaritätsprinzip abrücken – und das ist keine Kleinigkeit. Das Prinzip besagt:  Wo freie Träger die sozialen Aufgaben des Staates übernehmen können, sollen sie es nach Möglichkeit auch tun. Die katholische Caritas, die evangelische Diakonie, das Rote Kreuz oder die Awo wurden dadurch zu großen Sozialunternehmen. Das führt zu Vielfalt ohne ruinöse Konkurrenz. Außerdem mobilisieren die Verbände bundesweit Hunderttausende Ehrenamtler.

In diese Kerbe haute die WLH: Die Wohlfahrtsverbände wie etwa die Caritas seien ein wichtiger sozialer Baustein, „der hier in Haan über ein Jahrzehnt sehr gute Arbeit geleistet hat und dafür nicht nur Lippenbekenntnisse verdient, sondern dem auch die Möglichkeit des wirtschaftlichen Überlebens ermöglicht werden sollte“, betonte Meike Lukat. Richtigerweise sei die Caritas auch immer noch die vom Kreis beauftragte Fachberatungsstelle im Bereich Wohnungslosenhilfe für Haan.

Abgestimmt werden konnte über die städtische Vorlage übrigens nicht: Die SPD hatte einen Ratsvertreter zu wenig in den Ausschuss geschickt, Vorsitzender Bernd Stracke (SPD) musste daher feststellen, „dass wir heute hier nicht beschlussfähig sind“. Der nächste Sozialausschuss ist im Oktober.

European Homecare zieht erste Quartals-Bilanz

Mehr als 200 Beratungsgespräche mit ehemals Geflüchteten und Asylsuchenden hat das Unternehmen European Homecare, das seit Jahresanfang die Aufgaben des Sozial- und Integrationsmanagements in Haan übernommen hat, bisher geführt. Hinzu kommen sechs Beratungsgespräche mit Wohnungslosen. Dies geht aus dem ersten Quartalsbericht hervor, den NRW-Bereichsleiter Adam Lisek jetzt im Sozial- und Integrationsausschuss vortrug. Bedingt durch den Wechsel in der Betreuungs- und Beratungsarbeit zum Jahresanfang sei die erste Zielsetzung zunächst gewesen, ein Vertrauensverhältnis zu den Bewohnern aufzubauen, betonte er: „Wir konnten anfängliche scheu und Unsicherheit überwinden – nicht zuletzt wegen der Sprachkenntnisse der Kollegen. Mehrmalige Besuche aller Häuser, persönliche Informationen und Gespräche standen in den ersten Wochen im Vordergrund.“ Anfangs habe es oftmals gegolten, Unverständnis darüber abzubauen, dass Vorgänge und Fälle der Betroffenen neu besprochen und eruiert werden mussten.

Vor allem im Beratungsbüro an der Düsselberger Straße hat sich Lisek zufolge ein reges Beratungsaufkommen  während der Sprechstunden ergeben (dienstags von 14-16.30 Uhr), die seit Ausbruch der Corona-Pandemie indes ruhen.

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