Spiritueller Zwischenruf aus dem Kloster Langwaden Zwischen Himmel und Hölle

Meinung | Langwaden · Kann die Kirche einen Neuanfang schaffen?, fragt Bruno Robeck. Der Prior der Langwadener Zisterziensermönche versucht Antworten zu geben. 

Willkommen im Paradies!“ Mit diesen Worten begrüßt der 57-jährige, aus Angola stammende Jose Joao Eduardo alle Leute, die in den ehemaligen Berliner Flughafen Tegel kommen. Eduardo ist als Ordner im dort errichteten Impfzentrum angestellt. Als er einer alten gehbehinderten Dame half und diese sagte: „Sie sind ja wie ein Engel“, antwortete er spontan: „Willkommen im Paradies!“ Seit diesem Erlebnis begrüßt er alle, die zum Impfen kommen, mit diesen drei Worten – insgesamt fast 1500 Arbeitsstunden lang. Mittlerweile hat sich seine besondere Begrüßung herumgesprochen. Viele warten schon darauf. Manche kommen sogar schon zum zweiten oder vielleicht dritten Mal.

 Bruno Robeck ist Prior der Langwadener Zisterziensermönche.

Bruno Robeck ist Prior der Langwadener Zisterziensermönche.

Foto: Melanie Zanin

Willkommen im Paradies! Auch wenn man sich unter dem Paradies wohl etwas anderes vorstellt als ein zum medizinischen Einsatz umfunktioniertes Flughafengelände. Es hat doch etwas Paradiesisches, wenn man mit menschlicher Wärme empfangen wird und wenn man zu einem Ort kommt, an dem Menschen nichts anderes wollen als anderen helfen.

„Willkommen im Paradies!“ Wäre das nicht auch ein schöner Slogan, um in den Kölner Dom oder in ein anderes altehrwürdiges Gotteshaus einzuladen? Nicht erst seit der Veröffentlichung des Gutachtens zum sexuellen Missbrauch im Erzbistum München und Freising klingt solch eine Begrüßung unpassend, wenn nicht gar für manche zynisch. Es gibt viele, für die die Kirche zur Hölle geworden ist. Beim Bußgottesdienst für die Opfer sexuellen Missbrauchs im November sprachen Betroffene das erste Mal im Kölner Dom. Alle, die wie ich an diesem Gottesdienst teilgenommen hatten, hörten keine schönen glaubensstarken Reden und keine prächtigen, Selbstbewusstsein versprühenden Choräle. Die Stimmen derer, die in ihrer Not allein gelassen und ihren Peinigern schutzlos ausgeliefert worden waren, hallten durch den Raum. Diese Stimmen gruben sich tief in mein Herz. Diese Worte hängen fester in den Mauern des Domes als all die Predigten, Gebete und Gesänge. Ein Paradies ist die Kirche nicht. Eine Täterorganisation hat der Kölner Administrator Weihbischof Rolf Steinhäuser die Kirche genannt. Der Abgrund, der sich mit diesem einen Wort auftut, wird uns in diesen Wochen wieder bewusst.

„Willkommen in der Täterorganisation!“ Kann die Kirche zu einer anderen Organisation werden? Ich bin fest überzeugt: sie kann. Es gibt großartige und Mut machende Beispiele, wie unvorstellbar großes systemisches Unrecht und Leid aufgearbeitet werden kann und ein Neuanfang möglich ist. Die Beispiele zeigen aber auch, dass es der Hilfe von außen bedarf und dass es viel Zeit braucht. Die Kirche war noch nie ein Paradies und wird es nie werden. Ihre Aufgabe ist es jedoch, die Menschen auf ihrer Suche nach dem Paradies zu begleiten und ihnen den Weg zum liebenden, helfenden und heilenden Gott offen zu halten.

Paradoxerweise meldet sich gerade jetzt eine große Gruppe queerer Menschen zu Wort, die ohne die Kirche nicht leben will, obwohl die katholische Lehre sie nicht akzeptiert. „Willkommen im Paradies“ möchte da niemand sagen. In den Impfzentren Berlins und anderer Orts wird eher ein Hauch des Paradieses spürbar. Es käme einem Wunder gleich und ich würde es mir wünschen, ehrlichen und frohen Herzens an der Kirchentür stehen zu können und alle mit diesen drei Worten zu begrüßen: „Willkommen im Paradies“.

Prior Bruno Robeck, OCist

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