Familiendrama: Grevenbroicher vor Schwurgericht Sechs Auftrags-Morde vom ehemaligen Chef?

Familiendrama: Grevenbroicher vor Schwurgericht · Eine Familientragödie der besonderen Art entwickelt sich zurzeit vor dem Stuttgarter Schwurgericht. Es geht um nichts Geringeres, als einen Versuch der Anstiftung zum Mord an sechs Familienangehörigen. Eine Schlüsselrolle in diesem Fall spielt der 31-jährige Thomas Sch., ein gebürtiger Grevenbroicher.

Der Mann, der keinen Beruf erlernte, dafür aber Erfahrung mit Drogen und entsprechenden Geschäften machte, findet sich in seiner neuen Heimat in der für ihn ungewohnten Rolle eines Robin Hood. Thomas Sch. hat seinen früheren Chef, Theo S. (44), vor Gericht gebracht. Er habe ihm (und später einem Bekannten) angeblich den Auftrag erteilt, sechs Verwandte umzubringen, einschließlich seiner ehemaligen und jetzigen Ehefrau.

"Wo ich herkomme, geht Familie über alles", sagt Thomas Sch. vor dem Schwurgericht und meint: "Als er mich fragte, habe ich sofort ,Ja' gesagt. Denn ich wollte nicht, dass er jemanden findet, der wirklich bereit ist, das zu tun." Es sei ihm das wichtigste gewesen, die Familie seines Chef zu schützen. Zur Polizei habe er sich freilich erstmal nicht getraut, er habe S. hinhalten und Beweise gegen ihn sammeln wollen.

Doch Schweigen konnte der 31-Jährige über die Sache mit seinem Chef nicht. "Thomas ist ein Schwätzer", sagen seine drei WG-Genossen nahezu übereinstimmend. Einer der gerne erzähle, Späße mache. Zweieinhalb Stunden dauert die Zeugenaussage von Thomas Sch. vor Gericht. Die Prozessbeteiligten wollen es genau wissen. Und der schlanke Mann mit Brille und schulterlangen Haaren macht es ihnen nicht gerade leicht. "Sie sind ein Meister des Relativierens", stellt Psychiater Dr. Peter Winckler fest.

Und er wirft die Frage auf, warum sich Sch. mit seiner Zeugenaussage so schwer tue: "Sie sind doch nicht dumm." Doch der ehemalige Grevenbroicher beruft sich auf Gedächtnislücken. Gegen wie viele Personen richtetete sich der Mordplan? Um wen ging es? Wie hätten die Leute sterben sollen? Drei Fragen und immer die gleiche Antwort von Thomas Sch.: "Das krieg ich nicht mehr zusammen." Falls es Mordaufträge vom ehemaligen Chef gegeben haben sollte, dann hat sie Thomas Sch. zumindest nicht mit gebotenem Ernst behandelt.

Offensichtlich wollte er aber aus der Sache auch Kapital schlagen - eventuell einen Vorschuss kassieren auf die 100.000 Euro, um die es seiner Darstellung nach gegangen ist. "Thomas wollte seinen Chef irgendwie abzocken", berichtet WG-Mitbewohner Jochen H. dem Gericht. Gemeinsam mit dem zweiten vermeintlichen Auftragnehmer, einem Kurden, hat Sch. die Ehefrau des Theo S. nach dessen Verhaftung erpresst. "3.000 Euro - und wir ziehen unsere Aussage zurück", lautete das Angebot, das die beiden Ganoven machten.

Die Polizei wollte es aber nicht darauf ankommen lassen, schnappte Thomas Sch. im August bei der Geldübergabe und steckte ihn für ein paar Tage in Untersuchungshaft. Ein wenig nervös sei er zwar wegen dieses Ermittlungsverfahrens, das gegen ihn noch läuft. Aber kleinlaut wird er deshalb nicht: Natürlich hätten beide nicht wirklich vorgehabt, ihre Aussage zu widerrufen. Doch genau die Verquickung der beiden Belastungszeugen und die opportunistische Gesinnung, die beide nicht verheimlichen können, machen dem Gericht die Arbeit schwer.

Denn auch wenn niemand zu Schaden gekommen ist, könnte Theo S. für sechs Mordaufträge theoretisch sogar lebenslang ins Gefängnis geschickt werden. Theo S. wiederum sieht sich als Opfer einer Verschwörung: "Ich bin erpresst worden", sagt er. Vom Stress bei der Scheidung und dem Ärger mit dem Schwager und dem Neffen, die er vor gut zwei Jahren einmal wegen Kindesentzug angezeigt hatte, habe er seinem Kollegen Thomas Sch. ausführlich erzählt.

Man sei bestens miteinander ausgekommen. Thomas Sch. habe ihm irgendwann einmal gesagt, dass sich die ungeliebten Verwandten eine ,Abreibung' verdient hätten - und er wolle sich gerne selber darum kümmern. "Das könnte man machen", will darauf der Heimleiter gesagt haben. Ihm sei es freilich nur um eine Einschüchterung gegangen.

Fest steht, dass Theo S. dem Mann aus Grevenbroich Bilder aus dem Familienalbum überlassen hat. Mit diesen Fotos sei er später vom zweiten Belastungszeugen erpresst worden, sagt er. Bisher sind vier Prozesstage vergangen. Das Urteil ist für den 4. Juni vorgesehen. R.K.

(NGZ)
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