Geschichten und Geschichte Als Duisburg unter Dampf stand

Serie | Duisburg · Zechen, Getreidemühlen, Brauereien, Industriebetriebe, Feuerwehr und Wasserwerke in Duisburg setzten einst auf die Kraft des Dampfes. Die Dampfmaschine lebt weiter.

Das Museumsschiff Oskar Huber, eine Dampfspritze der Duisburger Feuerwehr und ein Dampfkran an der Schifferbörse.

Das Museumsschiff Oskar Huber, eine Dampfspritze der Duisburger Feuerwehr und ein Dampfkran an der Schifferbörse.

Foto: Harald Küst

Ist die Dampfmaschine im Nebel der Geschichte verschwunden? Nicht nur das Museumsschiff Oskar Huber und der einzige in Deutschland erhaltene Hafen-Dampfkran an der Ruhrorter Schifferbörse erinnern an die Hochzeit des Dampfmaschinenzeitalters. Die Entdeckungsreise schärft den Blick auf die Zeit, als Duisburg unter Volldampf stand.

Wassertürme und Kesselhäuser stehen heute unter Denkmalschutz. Die Wassertürme in Hohenbudberg und Hochfeld dienten als Wasserspeicher für Dampfloks.  Versteinerte Zeitzeugen sind die ehemaligen Kesselhäuser und Schornsteine der Waggonfabrik Wedau, der Wasserwerke Bockum und der Werhahnmühle am Innenhafen. Andere Relikte sind aus dem Duisburger Stadtbild verschwunden, aber viele Duisburger erinnern sich an die Dampflok im Kantpark, die Kindern als Klettergerüst diente.  Alte Hamborner wissen um die Pollmann-Dampfwalze, die 1964 sang-und klanglos verschrottet wurde, obwohl sie einen geschichtsträchtigen Einsatz vorweisen konnte. Mit ihr wurde 1929 die Pollmannkreuzung blockiert. Der Bauunternehmer Heinrich Kluge wollte mit der Aktion gegen die Eingemeindung Hamborns protestieren.

Stadtarchiv, Stadtmuseum und das Binnenschifffartsmuseum lassen die Technik- und Wirtschaftsgeschichte Duisburgs wieder lebendig werden. Im Stadtgebiet Duisburgs waren es die Zuckerfabrik vom Rath (1834) und die Fruchtmühle Hardt und Buchholz (1836), die erstmalig die Dampfkraft nutzten. Auf den Zechen wurden Dampfmaschinen zum Antrieb der Pumpen eingesetzt, um das gefährliche Eindringen von Grubenwasser zu verhindern.  

Ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm die Nutzung der Dampfkraft in Duisburg rasant an Fahrt auf. Mit Dampfschiffen und Dampflokomotiven wurde der Transport großer Mengen von Kohle und Eisenerz möglich. Stahlwerke und Zechen nutzten die Dampkraft, die durch flexiblen und breiten Einsatz überzeugte. Sie war überall dort zu installieren, wo sie benötigt wurde. Auf Schienenfahrzeugen, auf Schiffen, Dampfkränen, Traktoren, Dampfspritzen und vor allem fest eingebaut in Zechen, Getreidemühlen, Brauereien, Schiffswerften und Fabrikanlagen, wo sie Gebläse, Pumpen, Mühlen und Walzstraßen antrieb. Vorausschauende Unternehmen wie König Brauerei, Rosiny Mühlen, Ewald Berninghaus, Matthes & Weber, Duisburg Ruhrorter Häfen, Franz Haniel & Cie. GmbH und die Duisburger Feuerwehr erkannten den Produktivitätsgewinn und bestellten Dampfmaschinen bei den Herstellern.

Doch die explosive Verbreitung der neuen Technologie barg zugleich eine enorme Spreng­kraft – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Ungefährlich war der Betrieb der „Kolben-Wärmekraftmaschine“ anfangs nicht – das zeigt die in Preußen veröffentlichte Dampfmaschinenstatistik. 1894 gab es 23 Kesselexplosionen mit 74 Todesopfern. In einem zeit­genössischen Bericht heißt es: „…dass der bezähmte Dampf-Dämon unablässig bemüht sei, seine eisernen Fesseln plötzlich zu sprengen und Tod und Verderben um sich zu schleudern.“  Tatsächlich erzeugte die nicht sachgemäße Befeuerung der Dampfkessel sehr hohen Druck, Risse konnten durch Überhitzung entstehen.

Dampfkesselexplosionen waren auf mangelhafte Wartung, Bedienungs- und Konstruktionsfehler zurückzuführen. So entstand der Dampfkesselüberwachungsverein (DÜV), der Vorläufer des TÜV. Die Experten kontrollierten die Anlagen und schulten die oft nur angelernten Arbeiter. Das zeigte Wirkung. Die Unfallzahlen sanken deutlich, 1905 gab es in Preußen nur noch 8 Kesselexplosionen. Im 20. Jahrhundert war die Dampfmaschine parallel neben Verbrenner- und Elektromotoren noch lange präsent. Die letzte Dampflok wurde erst 1977 ausgemustert. Heute erfreuen sich historische Dampfeisenbahnen vielerorts großer Beliebtheit. Beim Ruhrorter Hafenfest konnte man zudem das voll fahrtüchtige niederländische „Stoomsleepboot Adelaar“  mit 150 PS Dampfmaschine und Kohlebunker bewundern. Mitfahrer konnten schweißtreibend unter Deck Kohle in den Kessel schaufeln.

Die Faszination für die Dampfkraft ist nach wie vor ungebrochen. Technikfreaks restaurieren heute mit Leidenschaft Dampfloks, Dampftraktoren, Dampfwalzen oder Dampffeuerspritzen. Noch bizzarer zeigt sich das Steampunk-Genre. Einfach mal googeln. Steampunk hat nichts mit Musik zu tun. Steampunk verbindet Mode, Literatur und Retro-Futurismus. Die Dampfmaschine lebt in einer Welt „Was wäre wenn“ weiter!

Zum Weiterlesen: Irmgard Lange, Die Einführung der Dampfmaschine im ehemaligen Kreis Duisburg, Duisburger Forschungen Band 14, S. 72; Albert Gieseler, Dampfmaschinen-Experte und Industriearchäologe, Datenbank mit Suchfunktionen aller historischen Dampfmaschinen,  u.a. Duisburger Anwender und Hersteller von Dampfmaschinen.

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