Elternkolumne Die Sache mit dem Schleifenschuh

Düsseldorf · Elternkolumne Manchmal wollen Kinder einfach nicht tun, was die Eltern erwarten. Lohnt die Kraft, die es braucht, den Konflikt auszutragen?

 Marcel Scherrer ist Vorsitzender des Jugendamtselternbeirats in Düsseldorf.

Marcel Scherrer ist Vorsitzender des Jugendamtselternbeirats in Düsseldorf.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Eines Tages kam mein vierjähriger Sohn freudestrahlend nach Hause: Er hat in der Kita seinen Schleifen-Führerschein gemacht. Mein Sohn war richtig stolz – völlig zu Recht. Als er mir zeigte, wie er die Schleife bindet, wurde mir wieder bewusst, wie komplex dieser besondere Knoten ist und wie filigran die Finger dafür arbeiten müssen.

Kurze Zeit später brauchte er neue Winterschuhe und für ihn war klar, dass sie unbedingt mit Schleife sein mussten. Mit erhobenem Haupt ging unser Sohn mit der selbst gemachten Schleife in die Kita und zeigte voller Freude seine neuen Schuhe.

Doch nach einer Weile hatte mein Sohn genug von der morgendlichen Knoterei. Meine Argumente, dass er doch die Schleife schon so gut könne und es viel zu kalt für die Halbschuhe mit Klettverschluss sei, überzeugten ihn nicht. Auch meinen Hinweis, dass er sich die Schuhe selbst ausgesucht habe, stritt er mittlerweile ab. Sollte ich ihm jetzt einfach die Schleife binden?

Für mich ist das eine typische Konfliktsituation zwischen Kindern und Eltern. Was sollte ein Kind selbst machen, wenn es etwas schon kann? Wie viel Geduld bringt man als Eltern auf, wenn ein Kind mit viel Mühe etwas selbst machen möchte? Und wie viel Kraft investiert man in eine Auseinandersetzung, um ein Kind dazu zu bringen, was man selbst von ihm erwartet und das Kind gerade nicht möchte? Diese Aushandlung kostet im Alltag viel Kraft und Nerven.

Oft übe ich mich in Geduld, denn schließlich möchte ich meinen Sohn zur Selbständigkeit erziehen und dazu gehört, dass er in der Regel das selbst machen soll, was er auch selbst kann. Aber natürlich kracht es dann auch manchmal, wenn der Vater gar nicht macht, was der Sohn von ihm erwartet – oder ist es umgekehrt?

Wenn es in einer Situation regelmäßig zu Konflikten kommt, hilft es uns oft, Kompromisse einzugehen. So muss keiner seine Bedürfnisse komplett zurückstellen. Da wir beim Rausgehen ständig aneinander gerasselt sind, haben wir uns darauf geeinigt, dass ich ihm eine Schleife binde und er die zweite macht. Das klappt momentan meistens gut.

An einem Morgen überraschte er mich: Er war besonders gut drauf und sagte zu mir: „Heute mache ich meine beiden Schleifen selbst.“ Das hat mich beeindruckt und Hoffnung schöpfen lassen. Aber am nächsten Tag ging das Gezeter wieder los. Es scheint wie so oft zu sein: zwei Schritte vor, einer zurück und dann wieder weiter.

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