Liste der NRW-Landesregierung Das Problem mit den gefährlichen Orten in Düsseldorf

Analyse | Düsseldorf · 14 Straßen in Düsseldorf gelten laut einer Liste der NRW-Landesregierung als gefährlich. Wer aber genauer hinschaut, wird erkennen: Diese Zuordnung ist nicht mehr aktuell und kann für die Bürger sogar irreführend sein.

 Die Ellerstraße in Oberbilk hatte die Düsseldorfer Polizei eine Zeit lang als gefährlichen Ort deklariert.

Die Ellerstraße in Oberbilk hatte die Düsseldorfer Polizei eine Zeit lang als gefährlichen Ort deklariert.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Es ist verlockend einfach, die Ecken einer Stadt in gefährlich und ungefährlich, gut und böse, schwarz und weiß zu unterteilen. Auf Betreiben der AfD hat die Landesregierung Hunderte Straßen und Plätze in Nordrhein-Westfalen genannt, die „gefährlich“ sein sollen, 14 davon in Düsseldorf. Doch wer genauer hinschaut, erkennt, dass diese Orte nicht im klassischen Sinne gefährlich sein müssen.

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Liste AfD-Abgeordnete hatten am 29. November 2017 eine Anfrage an die NRW-Landesregierung gestellt (zum Nachlesen: Drucksache 17/1363). Darin geht es um „gefährliche und verrufene Orte“, wie die Parlamentarier schreiben, gemäß § 12 Polizeigesetz NRW. Die AfDler fragen, wie sich die Zahl und die Verteilung gefährlicher Orte in NRW seit der jüngsten Erhebung verändert haben und wie der aktuelle Stand aussieht. Bis diese Liste veröffentlicht wird, vergehen jedoch zweieinhalb Jahre.

Erst jetzt, im Mai 2020, nach jahrelangem Streit wurde sie herausgegeben. Die NRW-Regierung hatte vor dem Verfassungsgerichtshof argumentiert, die Polizeiarbeit werde erschwert, wenn potenzielle Straftäter an präzise Informationen über solche Orte gelangen. Anwohnern dieser Wohngegenden drohe eine Stigmatisierung, das Sicherheitsgefühl der Bürger werde beeinträchtigt. Schließlich hatte der Verfassungsgerichtshof die Landesregierung gezwungen, die Anfrage zu beantworten.

Der Begriff „Gefährliche Orte“ Die Antwort der Landesregierung definiert gefährliche Orte nach §12 Polizeigesetz NRW. Dieser Paragraf regelt die Identitätsfeststellung. Normalerweise sind Bürger nicht dazu verpflichtet, sich ohne Grund auszuweisen. Die Polizei darf aber die Identität von Personen feststellen, wenn sie sich an eben jenen Orten aufhalten, die als gefährlich definiert sind. Dort darf die Polizei vorbeugend gegen Verdächtige vorgehen. Konkret bedeutet das: Polizisten dürfen Personen anhalten und nach ihren Ausweisen fragen – auch ohne bestimmten Anlass.

Erlaubt ist das aber nur dort, wo nachweislich Straftaten von erheblicher Bedeutung verabredet, vorbereitet oder verübt werden. Dazu gehören zum Beispiel Menschenschmuggel, Waffen- oder Drogenhandel, sagt Polizeisprecher Kim Ben Freigang. Wann ein Ort als gefährlich eingestuft wird, legen die einzelnen Polizeistellen selbst fest und melden das ans NRW-Innenministerium. Sie müssen dafür Fakten vorlegen, die im Zweifel auch von einem Gericht überprüft werden, falls sich jemand gegen die Kontrolle wehrt.

Für die Bürger bedeutet das, dass diese Orte nicht im klassischen Sinn gefährlich sein müssen. Das NRW-Innenministerium betont, dass Bürger an den genannten Orten nicht unbedingt einer erhöhten Gefahr ausgesetzt sind, Opfer von Straftaten zu werden. Es könne sich auch um Orte handeln, an denen Straftaten lediglich verabredet und vorbereitet werden. „Gefährlicher Ort heißt nicht, dass man sofort einen Knüppel über den Kopf gezogen bekommt, wenn man die Straße betritt“, sagt Polizeisprecher Freigang. „Es ist und bleibt ein technischer Begriff.“ Die Worte „gefährliche und verrufene Orte“, wie sie die AfD-Abgeordneten in der Anfrage schreiben, kommen übrigens in dem Paragrafen nicht vor.

Aktualität Die AfD-Abgeordneten hatten die Anfrage 2017 gestellt – und die Antwort der Landesregierung bezieht sich auf den Zeitraum von Dezember 2010 bis Dezember 2017. Die Liste, die ausschließlich Straßen südlich des Hauptbahnhofs enthält, ist also zweieinhalb Jahre alt. Und sie ist, wie Polizeisprecher Andreas Czogalla sagt, auch veraltet. Alle Orte befinden sich im sogenannten Maghreb-Viertel, das Anfang 2016 unter besonderer Beobachtung stand. In dem Analyse-Projekt „Casablanca“ wertete die Polizei mehr als ein Jahr lang Delikte aus, überwiegend Taschendiebstähle und Antänzer-Tricks, die in der Altstadt verübt wurden.

Das Ergebnis: Der Rückzugsraum dieser Täter befand sich im Maghreb-Viertel in Oberbilk. Im Januar 2016 deklarierte die Düsseldorfer Polizei die genannten Straßen darum als gefährliche Orte, um dort verstärkt kontrollieren und Razzien durchführen zu können. Nach zwei Monaten wurde dieser Status aufgehoben. Mittlerweile werden die Straßen bei der Düsseldorfer Polizei also nicht mehr als „gefährliche Orte“ geführt. „Derzeit gibt es nach §12 Polizeigesetz NRW keine gefährlichen Orte in Düsseldorf“, sagt der Polizeisprecher.

Kriminalitätsschwerpunkte Das heißt natürlich nicht, dass es keine Kriminalität gibt. Orte, an denen häufig Straftaten passieren, heißen bei der Polizei Kriminalitätsschwerpunkte. Taschendiebe rund um den Hauptbahnhof, Drogenhandel am Worringer Platz, Ruhestörungen in der Stahlhaussiedlung in Wersten – all diese Orte sind der Polizei und wohl auch den meisten Düsseldorfern bekannt.

In solchen Problembereichen, sagt Andreas Czogalla, sei die Polizei vermehrt unterwegs, auch in zivil. Zudem sorgt der Bezirksdienst, also die Beamten von nebenan, für Präsenz auf den Straßen. In der Altstadt soll eine Videoüberwachung für Sicherheit sorgen. Das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen sei jedoch nicht nur von der Kriminalitätsstatistik abhängig, sondern auch von städtebaulichen Aspekten wie zu engen Gassen, ungepflegten Unterführungen oder schlecht beleuchteten Parks.

In Tiefgaragen zum Beispiel mag das subjektive Sicherheitsgefühl oftmals gering sein, sie gelten dennoch nicht als gefährliche Orte.

(veke)
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