Abschied von Rheinbahn-Chef Clausecker Endstation

Düsseldorf · Michael Clausecker sollte die Rheinbahn ins 21. Jahrhundert führen. Das Experiment endete in einem Debakel.

 Rheinbahn-Chef Michael Clausecker, hier auf dem Betriebshof in Lierenfeld, muss seinen Posten räumen.

Rheinbahn-Chef Michael Clausecker, hier auf dem Betriebshof in Lierenfeld, muss seinen Posten räumen.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Michael Clausecker hatte einen Traumjob. Das zumindest sagten die Politiker, als sie den Manager zum 1. Januar 2016 nach Düsseldorf holten. Der Regierungswechsel im Rathaus war noch frisch, Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) und das Bündnis aus SPD, Grünen und FDP im Stadtrat versprachen eine neue Rheinbahn: mehr Angebot, mehr Service, mehr Fahrgäste. Die Auto-Stadt Düsseldorf sollte auf Bus und Bahn umsteigen. Die Politik kündigte an, dafür gern richtig Geld zu investieren – das hören städtische Verkehrsunternehmen selten. Und Clausecker war der Mann mit den guten Ideen.

Nicht einmal drei Jahre später ist das Experiment in einem Debakel geendet. Der Aufsichtsrat entmachtete den Rheinbahn-Chef am Mittwoch mit einstimmigem Beschluss. Es war eine Sitzung, die nur wenige Minuten dauerte. Denn es war ohnehin alles gesagt. Am Ende gab es eine breite Front der Ablehnung: Mitarbeiter, Opposition, Ratsmehrheit – alle hatten das Vertrauen verloren.

Zurück bleiben nur Verlierer. Das fünftgrößte deutsche Nahverkehrsunternehmen befindet sich in einer tiefen Krise, der 52 Jahre alte Manager verlässt Düsseldorf gedemütigt. Und ob es die neue Rheinbahn noch geben wird, von der die Politiker (und auch die Fahrgäste) träumen, ist mehr als ungewiss.

Dabei hatte Clauseckers Start viel Aufsehen erregt, auch über die Stadtgrenzen hinaus. Plötzlich wehte ein Hauch von Start-Up durch die Büros des altehrwürdigen Bahnunternehmens. Der Kaufmann, der zuvor beim Fahrzeughersteller Bombardier gearbeitet und den Verband der Bahnindustrie geleitet hatte, konnte zwar keine Erfahrungen bei einem Nahverkehrsunternehmen vorweisen, dafür aber vielversprechende Pläne.

Er kündigte an, die Rheinbahn bleibe nicht nur ein Bahn- und Busunternehmen, sondern werde – so formulierte er – ein „Plattformanbieter für die intermodale und multimodale Mobilitätswelt des 21. Jahrhunderts“. Er sprach viel von Apps, On-Demand-Services und Vernetzung. Die Ideen, die er mit einer Wirtschaftsberatung erstellt hatte, garnierte er mit spektakulären Zielen: Um zwei Prozent pro Jahr sollte die Zahl der Fahrgäste steigen. Das wäre eine Sensation gewesen. Die Rheinbahn hat sie nicht annähernd geschafft.

Ein Grund ist, dass das Unternehmen und sein Chef sich fremd geblieben sind. Am Ende räumte Clausecker selbst nachdenklich ein, er sei in einen Kulturkampf geraten. Auf der einen Seite der groß gewachsene Vorstandschef aus dem fernen Berlin, der am liebsten mit dem Fahrrad zur Arbeit kam und den Laden umkrempeln wollte. Auf der anderen Seite ein Unternehmen, das nie auf wirkliche Veränderungen angelegt war.

Die Mitarbeiter sind durchschnittlich 18,5 Jahre im Unternehmen, viele bleiben von der Ausbildung bis zur Rente – und werden als Senioren zur Kaffeefahrt eingeladen. Es ist ein familiärer Betrieb, manche reden spöttisch vom „letzten Wohlfühlunternehmen“ der Stadt. Die Rheinbahn ist aber auch eine Firma, in der Freundschaften und Feindschaften über Jahrzehnte gepflegt werden und die Machtpfründe sorgsam verteilt sind.

Clausecker verstand das zu spät. Nach seinem Antritt erwägte er, die Werkstätten neu zu organisieren. Er will nur gemeint haben, dass externe Experten die Abläufe anschauen sollten, doch der mächtige Betriebsrat witterte Outsourcing – und schlug Alarm. Es war der Beginn einer offenen Feindschaft.

Auch in der Politik wurde der Hoffnungsträger erstaunlich schnell zum Feindbild. Seine Idee der Metro-Busse wurde vom Aufsichtsrat erst gestoppt und dann nur in verringerter Form genehmigt. Die Kritiker haben Recht behalten: Am Ende musste Clausecker selbst einräumen, dass seine Ziele zu hoch gesteckt waren. Viele andere Vorhaben aus seiner Ideenliste dürften nun im Schrank bleiben.

Sein schnelles Aus verursachten ausgerechnet die Bahnen und Busse – die auch im 21. Jahrhundert das Rückgrat des Nahverkehrs bilden. Im Sommer war bekannt geworden, dass die Rheinbahn viel zu wenige Fahrer hat und Linienfahrten streichen muss. Darüber hinaus traten an den rot-weißen Stadtbahnen schon zum zweiten Mal Risse auf – die 35 Jahre alten Fahrzeuge, die das Herz der Flotte bilden, sind überaltert. Clausecker hatte noch keinen Ersatz bestellen lassen.

Am Ende drangen immer mehr große und kleine Pannen an die Öffentlichkeit, darunter ein Fehler bei einer Zugbestellung: Der Prototyp erwies sich als sechs Zentimeter zu breit, die Rheinbahn-Techniker hatten übersehen, dass die Bahnsteige in Duisburg breiter sind. Der Fehler war lange vor Clauseckers Antritt passiert, und so schlimm waren die Folgen nicht. Aber das spielte längst keine Rolle mehr. Der Rheinbahn-Chef stand endgültig da wie ein König, der heldenhafte Feldzüge ankündigt und nicht sehen will, wie kläglich es um seine Truppen steht.

Sein Scheitern ist auch eine Niederlage für OB Geisel, der ihn geholt hat. Und es wirft die Frage auf, ob Düsseldorf seinen Nahverkehr zu lange stiefmütterlich behandelt hat: Warum wurde nicht früher in neue Bahnen investiert? Warum wurde der Personalmangel nicht entschiedener angegangen? Und wohin soll die Rheinbahn, die zuletzt in internen Querelen versunken ist, jetzt steuern?

Der Nachfolger von Clausecker muss die Antworten geben. Er soll schnell gefunden werden, heißt es. Alle Kandidaten dürften jetzt wissen, dass der Posten in Düsseldorf nicht nur ein Traumjob ist.

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