Jugendhilfezentrum in Dormagen Hilfe für Kinder, die sich selbst verletzen

Dormagen · Das Jugendhilfezentrum Raphaelshaus hat mit Psychiatern Leitlinien entwickelt, um Jugendliche zu stärken. Dabei sollen die Mitarbeiter darin gestärkt werden, suizidales und selbstverletzendes Verhalten der Jugendlichen zu unterscheiden.

 Mit diesem Plakat setzten sich Jugendliche aus dem Raphaelshaus im Rahmen eines Demokratieprojektes vor mehr als einem Jahr mit der Gewalt auseinander, die gegen andere ausgeübt wird. Doch wie reagieren Mitarbeiter, wenn sich Kinder und Jugendliche selbst verletzen? Dazu gibt es nun Leitlinien.

Mit diesem Plakat setzten sich Jugendliche aus dem Raphaelshaus im Rahmen eines Demokratieprojektes vor mehr als einem Jahr mit der Gewalt auseinander, die gegen andere ausgeübt wird. Doch wie reagieren Mitarbeiter, wenn sich Kinder und Jugendliche selbst verletzen? Dazu gibt es nun Leitlinien.

Foto: Raphaelshaus

Über die Eröffnung der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Ambulanz der St. Augustinus Gruppe auf dem Gelände des Jugendhilfezentrums Raphaelshaus ist dessen Direktor Marco Gillrath sehr froh: „Es ist gut, dass diese Fachstelle nun in unserem Haus erreichbar ist“, sagt er. „Es gibt viele psychisch kranke Eltern und auch Kinder“, weist Gillrath darauf hin, dass seit vielen Jahren eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Psychiaterin Claudia Neumann von den Augustinus-Kliniken bestehe: „In manchen Fällen ist es hilfreich, eine Psychiatrie-Fachkraft hinzuzuziehen.“

Denn unter den rund 240 Kinder und Jugendlichen, die in der Einrichtung und Wohngruppen betreut werden, sind auch einige mit schweren Traumata, pychischen Störungen und Gewalterfahrungen. „Da ist dann nicht immer auf den ersten Blick offensichtlich, ob ein Jugendlicher, der seinen Arm ritzt, nur nach Aufmerksamkeit schreit, Druck ablassen oder sich umbringen will“, beschreibt Gillrath den Zwiespalt der pädagogischen Mitarbeiter. „Zum Glück gibt es im Moment nicht viele, die sich ritzen. Aber es ist ein Alarmsignal, das wir ernst nehmen“, weist der Direktor auch darauf hin, dass es inzwischen viele Jungen gibt, die sich ritzen, während es viele Mädchen gibt, die ihre Probleme aggressiv angehen.

Da ist nicht nur die enge Verzahnung mit der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Ambulanz wichtig, sondern auch das gemeinsame Ausarbeiten einer neuen Leitlinie „Umgang mit selbstverletzendem Verhalten“. Sie ist als Hilfestellung für die Mitarbeiter – und damit auch für die Kinder und Jugendlichen – gedacht. „Wenn aber andere Einrichtungen Interesse haben, können sie mich gern ansprechen“, sagt Gillrath.

Im Rahmen des Qualitätsmanagements entwickelt das Raphaelshaus die vorliegenden Konzepte stetig weiter. „Wir wollen unseren pädagogischen Fachkräften eine möglichst hohe Verhaltenssicherheit vermitteln“, betont Gillrath. Probleme in den Gruppen werden sehr ernst genommen und im Rahmen von Qualitätszirkeln, unter Beteiligung der Fachkräfte, der Leitung und auch partizipativ – wenn möglich – mit den Kindern und Jugendlichen des Raphaelshauses bearbeitet. Auf diese Weise sind unter anderem die beiden ersten Ausarbeitungen entstanden: die Leitlinien „Sexualpädagogik“ und die Leitlinien „Medien“.

Viele der Kinder und Jugendlichen, die das Raphaelshaus aufnimmt, haben psychiatrische Vorerfahrungen. „Aufgrund von unterschiedlichen Faktoren sind die Kolleginnen und Kollegen in den Gruppen immer wieder mit selbstverletzendem Verhalten der Jungen und Mädchen konfrontiert“, berichtet Gillrath: „Selbstverletzendes Verhalten bei Jugendlichen ist oftmals Ausdruck einer starken seelischen Belastung. Dieses Verhalten entsteht häufig als Reaktion auf belastende Umstände und daraus hervorgehende Gefühlszustände, die die Jugendlichen nicht anders kontrollieren können.“ Im pädagogischen Alltag sei es jedoch oft schwierig, selbstverletzendes Verhalten ohne suizidale Absicht von suizidalem Verhalten zu unterscheiden, erklärt der Direktor.

Mit der kooperierenden Kinder- und Jugendpsychiatrischen Ambulanz der St. Augustinus Gruppe wurde nun der Leitfaden zum Thema „Umgang mit selbstverletzendem Verhalten“ entwickelt, um den Mitarbeitenden im Raphaelshaus in diesen äußerst belastenden Situationen größtmögliche Verhaltenssicherheit zu geben. Inhalte des Leitfadens sind entsprechendes Hintergrundwissen, ein Beurteilungsbogen zur Suizidalität, ein Krisenplan, Skills für Jugendliche in latenten und akuten Phasen der Selbstverletzung (alternative Verhaltensweisen) und Hilfsangebote rund um das Raphaelshaus. „Wichtig ist, den Jugendlichen nicht moralisch unter Druck zu setzen“, sagt Gillrath, der auf Alternativen für die Selbstverletzung hinweist: „Da kann Sport helfen, alles, was den Körper spüren lässt, wie etwas Scharfes kauen oder Eiswürfel in der Hand zu halten – da gibt es mehrere Möglichkeiten, die allerdings auf die Situation passen müssen“,  sagt der Direktor.

Dass die Kinder- und Jugendpsychiatrische Ambulanz allen Dormagenern offensteht, die Hilfe bei Depressionen, Ess-Störungen, Mobbing und Schulstress suchen, findet Gillrath „großartig – das ist ein großer Gewinn für Dormagen“.

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