Autobahnkapelle an der A57 Tankstopp für die Seele

Dormagen · Ein Mädchen trauert um seinen Hund, eine Frau bedankt sich beim lieben Gott für die unfallfreie Fahrt: Warum gehen Menschen in eine Autobahnkirche? Ein Besuch in der Autobahnkapelle St. Raphael an der A57.

Autobahnkirchen werden immer beliebter
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Rast für die Seele in der Autobahnkirche

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Foto: RP Online/Claudia Hauser

Ganz ausschalten lässt sich der Lärm der vorbeischießenden Autos und Lastwagen nicht. Aber wenn man die Tür der kleinen Autobahnkapelle auf dem Rastplatz Nievenheim schließt, wird es doch ein wenig besinnlich und die Autobahn zum Hintergrundrauschen. Kerzen brennen auf einem Altar in der Mitte des kleinen Raums, ein paar Bibeln stehen auf einem Holzbänkchen, ein Fürbittenbuch liegt aus.

Ein Mann im Anzug öffnet leise die Tür, er hat eine Grabkerze dabei, die er anzündet und zu den anderen Kerzen stellt. „Ich mache das ganz regelmäßig, wenn ich hier vorbeikomme“, sagt er. Zwei Kerzen habe er immer im Kofferraum. Das sei gar nicht mit den Gedanken an irgendjemand Bestimmten verbunden. „Ich wünsche mir einfach nur eine gute Fahrt“, sagt der 55-Jährige. Er ist Katholik und findet die Möglichkeit einer kurzen Rast in einer Autobahnkirche „wunderbar“.

Der typische Besucher ist männlich

Die Autobahnkapelle „St. Raphael“ zwischen Köln und Neuss zählt zu den kleineren der insgesamt 44 Autobahnkirchen in Deutschland. Sie wurde im Juli 1976 als erste Autobahnkapelle im Rheinland eingeweiht. Der Unterhalt der Kapelle wird über Spenden finanziert, unter anderem durch den Verkauf der Opferkerzen. Gottesdienste finden hier nicht statt. Wer eine Kerze anzünden will, wird gebeten, 30 Cent in eine Kasse neben dem Altar zu werfen. Die Kapelle gehört zur katholischen Kirchengemeinde St. Gabriel in Dormagen.

„Es gibt eine Klientel, die spontan anhält, und es gibt diejenigen, die sehr regelmäßig kommen“, sagt Birgit Krause von der Akademie der Versicherer im Raum der Kirchen. Der Verband mit dem etwas sperrigen Namen ist ein Zusammenschluss von Versicherungsunternehmen, der auf Angebote für Menschen im kirchlichen Umfeld spezialisiert ist. Die zugehörige Akademie engagiert sich bundesweit für die Arbeit in den Autobahnkirchen.

Aus einer Studie der katholischen Fachhochschule Freiburg weiß man, dass der typische Besucher einer Autobahnkirche eher männlich als weiblich ist, eher älter als 40 und eher katholisch als evangelisch. Mehr als 60 Prozent der Besucher sind nach zehn Minuten wieder weg, nur zehn Prozent bleiben eine halbe Stunde oder länger in den Kirchen an Deutschlands Rasthöfen. Anhand der Kerzenverkäufe geht die Akademie davon aus, dass rund eine Million Menschen pro Jahr eine Autobahnkirche besuchen.

„Opa, wir lieben dich“

„Viele nutzen die Anonymität und das Fürbittenbuch, um sich etwas von der Seele zu schreiben“, sagt Krause. Das Buch in der Kapelle am Rasthof Nievenheim muss mehrmals im Jahr durch ein neues ersetzt werden, weil alle Seiten voll geschrieben wurden. Das Fürbittenbuch offenbart viele Gründe, warum Reisende und Pendler Rast machen in der Kapelle – und Ruhe suchen. In Kinderschrift steht da: „Lieber Gott! Lass meinen Opa bitte noch bei uns bitte. Opa, wir lieben dich.“

Auf einer anderen Seite bedankt sich jemand dafür, „dass die Fahrt mit dem Mietwagen in Italien unfallfrei verlaufen ist. Aufgrund meines Alters (76) war ich vorher nicht sicher, ob das so gelingen würde.“ Andere kommen, um zu trauern: „Lieber Gott, jetzt ist mein Schätzchen schon zwei Jahre tot, sie fehlt mir so sehr. Behüte und beschütze sie.“ In ordentlicher Mädchenschrift steht einige Seiten weiter: „Ich vermisse meinen Hund Peppi so. Papa hat gesagt, er ist im Himmel, stimmt das und wo ist das?“

Der 55-Jährige mit dem Grablicht wird an diesem Vormittag der einzige Besucher der Kapelle bleiben. Bevor er ins Auto steigt, streckt er seine Arme in die Luft und hüpft ein paar Mal mal auf der Stelle. Vielleicht fährt er gelassener und rücksichtsvoller nach seinem Kirchenkurzbesuch. Birgit Krause und ihre Kollegen sind davon überzeugt, dass der Besuch einer Autobahnkirche auch ein Beitrag zur Verkehrssicherheit ist.

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