Hanno Berger in Bonn vor Gericht „Mr. Cum-Ex“ auf der Anklagebank

Bonn · Am Bonner Landgericht hat das Mammutverfahren gegen den mutmaßlichen Initiator der millionenschweren Betrugsgeschäfte begonnen. Vor 15 Jahren haben die „Cum-Ex“-Steuerdeals Fahrt aufgenommen. Nun sitzt Hanno Berger auf der Anklagebank.

 Im milliardenschweren „Cum-Ex“-Steuerskandal hat vor dem Bonner Landgericht ein Strafprozess gegen den bekanntesten Akteur der Aktiendeals begonnen, den Anwalt Hanno Berger.

Im milliardenschweren „Cum-Ex“-Steuerskandal hat vor dem Bonner Landgericht ein Strafprozess gegen den bekanntesten Akteur der Aktiendeals begonnen, den Anwalt Hanno Berger.

Foto: dpa/Oliver Berg

Rein optisch könnte man sich Hanno Berger auch heute noch gut hinter einem Behördenschreibtisch vorstellen: Das Rentenalter von 71 Jahren sieht man dem behäbigen und leicht untersetzten früheren Finanzbeamten kaum an und dem Bild eines Nadelstreifen-tragenden Bankers entspricht Berger in seinem zerknitterten dunkelblauen Anzug mit passender Krawatte so überhaupt nicht. Und dennoch gilt der spätere Steueranwalt und Bankiers-Berater als „Spiritus Rector“ der sogenannten Cum-Ex-Geschäfte, eines mittlerweile als illegal erkannten Systems, mit dem sich Investoren eine einmal gezahlte Kapitalertragssteuer auf Aktiendividenden vom Finanzamt zweifach erstatten lassen konnten.

Seit diesem Montag steht der 71-Jährige nun als Angeklagter vor der 12. Großen Strafkammer am Bonner Landgericht. Der Tatvorwurf: Gemeinschaftliche besonders schwere Steuerhinterziehung in drei Fällen. Berger wird von der auf die illegalen Cum-Ex-Deals spezialisierten Abteilung der Kölner Staatsanwaltschaft unter der Leitung von Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker vorgeworfen, den Fiskus zwischen Januar 2007 und Oktober 2013 um insgesamt rund 278 Millionen Euro gebracht zu haben. Als Berater soll der damalige Steueranwalt laut Anklage die Chefs der Hamburger Privatbank MM Warburg mit Fachleuten aus Hypovereinsbank und einer britischen Finanzfirma zusammengebracht haben, um das von ihm entwickelte Geschäftsmodell umzusetzen. Über 27 Millionen sollen über Scheinrechnungen und Briefkastenfirmen auch an Bergers eigene Kanzlei geflossen sein. Ein weiteres Cum-Ex-Verfahren gegen Berger soll kommende Woche vor dem Landgericht Wiesbaden starten.

Die mutmaßlich illegale Beratertätigkeit war bereits die zweite Karriere des 71-Jährigen. Nach seiner Promotion im Jahr 1980 startete Berger zunächst eine Karriere in der hessischen Finanzverwaltung. In der Bankenmetropole Frankfurt widmete er sich für seinen Arbeitgeber zwölf Jahre lang der steuerlichen Bankenprüfung; stieg als Regierungsdirektor zum ranghöchsten Steuer-Bankprüfer des Bundeslandes auf. 1996 verließ er dann aber den Staatsdienst und beriet forthin als Anwalt Kunden in Steuerfragen. Zu seinem wichtigsten Kunden wurde wohl bald die Hamburger Privatbank Warburg: Deren Chefs soll Berger laut Anklage zur Aufnahme der Cum-Ex-Geschäfte gebracht haben. Anschließend soll er die nötigen Strukturen aufgebaut und dabei geholfen haben Investoren einzuwerben. Das gesamte Geschäftsmodell basiere auf dem Wissen und der Erfahrung des Angeklagten, trugen die Staatsanwältinnen vor.

Das dezente Klicken unzähliger Laptop-Tastaturen begleitete die rund zweistündige Verlesung, die Brorhilker sich mit einer Kollegin teilte. Das Medieninteresse an dem Verfahren war kaum zu toppen und viele Fotografen und Kameraleute hatten bereits vor Prozessbeginn versucht den Gefangenentransporter bei der Einfahrt in den Gerichtskomplex zu fotografieren oder zu filmen. Auch die Bürgerbewegung Finanzwende, ein nach eigener Auskunft überparteilicher Verein mit rund 7000 Mitgliedern, nutzte das große Interesse vor dem Eingang zum Gericht zu einer Plakataktion mit einem Aufruf für eine vollständige Aufarbeitung der Cum-Ex-Geschäfte.

Wie in den drei vorausgegangenen Bonner Verfahren zum Cum-Ex-Komplex hat auch dieses Mal wieder Richter Roland Zickler den Vorsitz inne: Mit dem ersten Urteil gegen zwei britische Aktienhändler hatte er im März 2020 ein kleines Stückchen Justizgeschichte geschrieben: Seine 12. Große Strafkammer hatte als erstes deutsches Gericht entschieden, dass es sich bei Cum-Ex-Geschäften um eine strafbare Steuerhinterziehung handelt. Eine Entscheidung, die im vergangenen Sommer auch vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe bestätigt wurde.

Berger selbst wollte sich allerdings zunächst nicht weiter zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen äußern. Wie auch ein im Sommer 2021 von Zicklers Kammer verurteilter führender früherer Warburg-Manager vertrat Berger bislang den Standpunkt, dass es sich bei den Deals um die legale Nutzung von Gesetzeslücken gehandelt habe. Dennoch hatte sich Berger im Jahr 2012 in die Schweiz abgesetzt, die ihn erst in diesem Februar auslieferte. Anfang des Jahres hatte ein weiterer verurteilter Warburg-Manager allerdings gestanden, angesichts der Dividendengeschäfte schon früh ein „Störgefühl im Bauch“ verspürt zu haben. Berger, der Brorhilkers Anklage teilweise mit leichtem Kopfschütteln verfolgte, machte sich mit seinem Füllfederhalter jedenfalls eifrig Notizen. Außerdem hatte er vor Verfahrensbeginn eigens einen großen Umzugskarton mit neun Aktenordnern in den Verhandlungssaal bringen lassen. Es bleibt also abzuwarten, ob und, wenn ja wie, sich Deutschlands derzeit prominentester Angeklagter möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt zu den Vorwürfen äußern wird.

Dieser Artikel erschien zuerst im Bonner Generalanzeiger.

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