Düsseldorf Erste gedruckte Nachrichten für Düsseldorf

Düsseldorf · Vor 300 Jahren beginnt mit der "Stadt-Düsseldorff Post-Zeitung" das Zeitalter öffentlicher Kommunikation in der Residenzstadt Düsseldorf. Kurfürst Jan Wellem hatte mit dem Ausbau der Postwege die Basis dafür gelegt. Zeitungsgründer Tilmann Liborius Stahl sollte Begründer einer Druckerdynastie werden.

Er wird noch einmal tief Luft geschöpft haben, bevor er seine Feder in die Tinte tauchte und an seinen Fürsten schrieb, den Pfalzgrafen Karl Philipp, Nachfolger des in Düsseldorf so hochverehrten Jan Wellem. "Durchlauchtigster Churfürst", beginnt Tilmann Liborius Stahl seinen Brief ehrerbietig, um dann mit einigem Selbstbewusstsein auszuführen, dass er seine Profession "ex fundamento" erlernt habe und niemand in der Stadt "ihn beireichen noch anderwärts übertreffen" könne. Eigentlich habe er in der Druckerei der Witwe Beyer die gesamte Arbeit erledigt. Der Sohn der Witwe dagegen habe nun ja schon geheiratet, beherrsche sein Handwerk aber immer noch nicht. Folglich sei es doch nur angemessen, wenn der Fürst nun ihn, Stahl, zu seinem Hof- und Buchdrucker erhebe. "Gnädigstes Wohlgefallen" werde der Fürst an ihm haben, verspricht der Untertan.

Stahl sollte Erfolg haben mit diesem stolzen Bittschreiben. 1723 erhält der junge Mann Brief und Siegel darauf, nach dem Tod der Witwe, der neue Hofdrucker in Düsseldorf zu werden. Die Karriere des Ahnherrn einer Druckerdynastie erfährt entscheidenden Schub. Erlangt hat Stahl den Titel wohl auch, weil er seiner aufstrebenden Stadt zu einem modernen Kommunikationsmittel verholfen hatte: zu einer Zeitung. Jan Wellem hatte die Postwege Düsseldorfs verbessert, der Residenzstadt sogar ganzjährige Straßenbeleuchtung verschafft. Das gab es nicht mal in Paris. Stahl spürte, dass Düsseldorf reif war und brachte die "Stadt-Düsseldorff Post-Zeitung" heraus. Das älteste erhaltene Exemplar ist auf den 8. November 1712 datiert. Damit beginnt in der Hauptstadt des Herzogtums Berg vor 300 Jahren das Zeitalter gedruckter Nachrichten.

In jenen Tagen hat Düsseldorf etwa 8600 Einwohner. Allein 400 davon arbeiten am Hofe des Kurfürsten. Jan Wellem hatte seine Residenzstadt großzügig gefördert, so wurde sie zum Anziehungspunkt für den Adel und zum Zentrum der Beamten. Weilte der Kurfürst nicht in der Stadt, konnten hohe Besucher seine Kunstsammlung oder Waffenkammer besichtigen und reisten dafür an. Entsprechend rege muss man sich das Leben in Düsseldorf vorstellen: Kaufleute, Schiffer, Fuhrleute und Handwerker aus dem Baugewerbe hatten sich innerhalb der Stadtmauern niedergelassen. Düsseldorf erlebte einen Bauboom, das heutige Citadellviertel am südlichen Ende der Stadt entstand, Handwerker wurden gebraucht. Zudem wurde in Düsseldorf gern gefeiert. Es gab Schützenfeste, zu Karneval Maskenbälle bei Hofe und Jahrmärkte, die Gaukler, Seiltänzer, fahrendes Volk lockten.

Wer sich ein Bild von Düsseldorf zu jener Zeit machen will, kann in der Schausammlung des Düsseldorfer Stadtmuseums eine Tuschezeichnung betrachten: "Die Düsseldorfer Rheinfront" um 1713. Vom Fluss aus ist die dichte Bebauung der Stadt zu erkennen mit dem Schloss an der Rheinfront und den markanten Türmen von Rathaus und Stiftskirche St. Lambertus. Unter Jan Wellem waren zahlreiche Neubauten entstanden, das Hofbrauhaus etwa oder das Kriegskommissariat. Auch wenn das mit Verschuldung einherging, prosperierte die Stadt, Reisende machten Station und spülten Neuigkeiten in den Ort – Futter für die "Stadt-Düsseldorff Post-Zeitung".

Deren Herausgeber Stahl stammte aus Obermoschel an der Alsenz bei Kreuznach in der Nordpfalz. Ob er auch dort geboren wurde, ist unklar. Urkunden belegen hingegen, dass er irgendwann nach Volmerswerth zog, dort 1704 das Amt des Schultheiß übernahm. In Düsseldorf wird Stahl zum ersten Mal schriftlich erwähnt, als er 1707 in St. Lambertus heiratet – eine gewisse Maria Elisabeth Ferber. Das Paar sollte erst mehr als zehn Jahre später die ersten Kinder bekommen. Dann aber ist die Nachkommenschaft zahlreich – und diese Großfamilie wird eine Dynastie werden.

Es spricht für den unternehmerischen Mut Stahls, dass er sich damals in Düsseldorf niederließ, denn Konkurrenz gab es genug. Etwa jene Witwe Beyer, die sich in der Nachfolge ihres Mannes "Churfürstliche Hoff- und Stadtbuchdruckerin" nennen durfte. Stahl bringt zunächst vor allem religiöse und populär-wissenschaftliche Schriften heraus. Seine Produkte sind von hoher Qualität, er kann auf eine Fülle von Schriftarten und -größen zurückgreifen. Und er besitzt Instinkt genug, sich an die erste Zeitung zu wagen.

Die "Stadt-Düsseldorff Post-Zeitung" erscheint wohl schon bald viermal die Woche. Eine Stadtansicht mit zahlreichen Türmen, künstlerisch etwas imposanter gestaltet als es die Wirklichkeit hergab, ziert den Kopf des Blattes. In den Wolken schwebt ein posauneblasender Engel – Symbol des Nachrichtenträgers. Die Neuigkeiten sind allerdings zwischen fünf und 14 Tage alt, wenn sie in das Blatt gehoben werden, und stammen aus niederrheinischen, niederländischen oder Kölner Blättern.

Die erste erhaltene Ausgabe berichtet in offiziösem Ton von den Kriegsschauplätzen des spanischen Erbfolgekriegs, von finanziellen Schwierigkeiten des französischen Königs und den Friedensverhandlungen in Utrecht.

Stahl fungierte als Druckleger und als Redakteur, der Nachrichten aus anderen Zeitungen entnahm und ohne erkennbare Ordnung in sein Blatt brachte. Unter Ortsangabe und Datum werden auch nicht zusammengehörige Neuigkeiten zusammengestellt. Ab und an stößt man allerdings auf äußerst farbige Berichte, die bereits einige Merkmale heutiger Reportagen erfüllen. Etwa die Beschreibung der Beisetzung des Deutschen Kaisers Karl VII. in München.

Der Wittelsbacher war am 20. Januar 1745 an der Gicht gestorben. Die "Stadt-Düsseldorff Post-Zeitung" berichtet in der Ausgabe vom 9. Februar 1745 unter der Ortsmarke München und dem Datum 28. Januar von der Beisetzung. Der Sarg wird genau beschrieben, aus Eiche sei er gewesen mit "schwarzem Samet" ausgeschlagen und "güldener Borte" besetzt. Dazu erwähnt der Schreiber plastische Details wie jenes, dass sich die Kammerherren an der Bare des toten Kaisers beim Tragen abgewechselt hätten. Mehrfach wird das Kerzenmeer in der Münchner Theatinerkirche beschrieben, dazu die weißen Atlaskissen – "prächtig bordiret" – auf denen die kaiserlichen Insignien ruhen. Zweieinhalb von acht Spalten der Zeitung werden dem Bericht eingeräumt – ein Höhepunkt der Ausgabe, selbst der Leser von heute kann das Gefühl bekommen, live dabei gewesen zu sein.

Im Laufe der Jahre tritt auch mehr Ordnung in das Blatt. 1755 erscheinen die Nachrichten unter Sammelüberschriften wie "Allgemeine Weltnachrichten". Für Händler gibt es Angaben zu Früchtepreisen und eine Rubrik, in der "Angekommene Fremde" vermerkt werden. Düsseldorf war schon damals eine Hotelstadt. Die Gäste schlafen im "Heidelberger Faß" oder "Im Raben" und besonders vornehme Leute "bleiben in ihrer Jachd" vor der Stadt.

Die Stahls gehören jedenfalls auch bald zu den angesehenen Bürgern der Stadt. Als Tilmann Liborius kurz vor Weihnachten 1747 stirbt, übernimmt seine Frau das Gewerbe samt Zeitung. Nach ihrem Tod setzt der jüngste Sohn Ludwig Karl Phillipp die Druckertradition der Familie fort – allerdings konzentriert er sich auf gelehrte Schriften. Seine Konkurrenten schlafen nicht. So wird bald der Steuerkanzellist Zehnpfennig Stahls Widersacher, der die Wochenzeitung "Gülich und Bergische Wöchentliche Nachrichten" herausbringt mit amtlichen Bekanntmachungen, Wirtschaftsnachrichten und Anzeigen zu vielen Bereichen des Lebens von Wirtschaft bis Theater, auch Quacksalber und Zauberkünstler kündigen ihr Kommen an.

Eine wirkliche Zerreißprobe muss die Druckerdynastie Stahl allerdings erst in der nächsten Generation bestehen. Neffe Franz Friedrich Stahl übernimmt die Geschäfte, erhält auch den Titel des Hofbuchdruckers. Nach einigen Jahren im Geschäft will er die Zeitungstradition seiner Familie wiederbeleben und bewirbt sich um die Konzession von Zehnpfennigs Wochenzeitung. Vielleicht ist es die Aussicht auf ein gutes Geschäft, jedenfalls schaltet sich da ein Vetter Franz Friedrichs ein, der bis dahin als Beamter Karriere gemacht hat. Hofkammerrat Karl Stahl wird durch List die Geschäfte an sich reißen – und glänzend ausbauen. Die Tradition der Stahls geht weiter.

Von Düsseldorfs erster Zeitung, der "Stadt-Düsseldorffer Post-Zeitung" wie sie ab 1714 hieß, sind nur 19 Nummern erhalten. Eingestellt wurde sie wohl um 1760 mit dem Tod der Witwe des Tilmann Liborius Stahl. Doch das Ende der ersten Zeitung Düsseldorfs ist so ungewiss wie ihr Anfang. Gut möglich, dass es ältere Ausgaben gibt als jene vom 8. November 1712. Doch solange die nicht gefunden ist, beginnt Düsseldorfs Zeitungsgeschichte vor 300 Jahren mit einer vier Seiten umfassenden Zeitung, die noch heute einen direkten Zugang zum Leben damals legt. Auch darum sind Zeitungen so kostbar – als papierne Spiegel der Zeit.

(RP)
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