Food-Kolumne „Kleiner Gruß aus der Küche“ Brioche als kulinarisches Opfer

Düsseldorf · Brasilianische Pão de Quiejo, französisches Brioche, schwarzer Knoblauch - manche Rezepte verlangen Köchen und ihrer Umgebung einiges ab. Das ist okay, findet unsere Autorin – wenn das Ergebnis stimmt.

 Ein frisches Brioche aus dem Ofen.

Ein frisches Brioche aus dem Ofen.

Foto: Shutterstock

Es war während eines Fußballspiels. Ich tat, was ich meistens während Fußballübertragungen tue: eine Viertelstunde zugucken, unqualifizierte Kommentare abgeben (“Welches sind die Gelben?“) und dann in der Küche mein Weinglas auffüllen gehen. (Ich schäme mich dessen nicht, denn so, wie ich mich während Fußballübertragungen verhalte, verhalten sich viele Menschen, während ich koche – und das ist okay. Wären wir alle an den gleichen Dinge interessiert, die Welt wäre ein langweiliger Ort.)

Ich hatte Chili gekocht – das Rezept stammt vom Herrn des Hauses und ist großartig, ich gebe es Ihnen ein anderes Mal. Nach der ersten Flasche Wein fand ich, das genüge nicht. Ich hatte Lust auf Pão de Quiejo, brasilianische Käsebrötchen, nach einem Rezept der fantastischen britischen Kochbuchautorin Nigella Lawson.

Eigentlich ist die Herstellung wahnsinnig einfach: Man bringt 250 Milliliter Milch und 125 Milliliter Sonnenblumenöl zum Kochen, schüttet die Mischung in eine Schüssel mit 300 Gramm Tapioka-Mehl sowie einem Teelöffel Salz und verknetet das Ganze in einer Küchenmaschine, bis es nur noch handwarm ist. Dann gibt man nach und nach zwei geschlagene Eier und 100 Gramm Instant-Parmesan hinzu (ja, das Zeug aus der Dose), rollt Bällchen und backt selbige bei 190 Grad eine Viertelstunde. Das Ergebnis ist weich, leicht klebrig und macht  süchtig. Besonders, wenn man ein bisschen betrunken ist.

Leider sollte dieser Fußballabend der werden, an dem meine Küchenmaschine starb. Kennen Sie das, wenn die Maschine anfängt, ein bisschen komisch zu riechen, und sehr heiß wird? Der Pão-de-Quiejo-Teig ist extrem zäh und bis er kühl genug ist, kann es zehn Minuten dauern. Das war zuviel für meine kleine Braun Multiquick, ein Geschenk meiner Mutter. Merken Sie’s – ich bin immer noch traurig. Wir hatten bis zu diesem Abend so viel zusammen erlebt – Schönes (Elisen-Lebkuchen) wie Schreckliches (püriertes Putenfleisch – fragen Sie nicht!). Waren es ein paar Käsebrötchen wirklich wert?

Ich fühlte mich daran diese Woche erinnert, als mir der charakteristische Maschinenöl-Geruch einer gequälten Küchenmaschine erneut in die Nase stieg. Ich hatte mir das Buch „On Vegetables“ von Jeremy Fox gekauft, von dem versprochen wird, es werde die Art ändern, wie man über Gemüse nachdenkt (tut es). Er gibt darin das Rezept seiner Ex-Frau Deanie für Brioche weiter, ein sehr nützliches Produkt für Vegetarier, weil es auf 700 Gramm Mehl 600 Gramm Butter enthält und damit noch deutlich gesundheitsgefährdender (und in etwa so lecker) wie Fleisch ist. Unterm Strich verbringt man – selbst mit einer Küchenmaschine – eine gute halbe Stunde damit, die Butter nach und nach in einen recht zähen Hefeteig einzuarbeiten. Das ist nicht anstrengend für die Arme, wohl aber fürs Gehirn, weil es ehrlich gesagt tierisch die Geduld strapaziert. Und, naja, die Maschine.

Am Ende hat sie es überlebt, aber ich habe mich gefragt: Wenn sie kaputt gegangen wäre – wäre es das dann wert gewesen? Die Frage stellt sich gelegentlich in der Küche und wird nicht von jedem gleich beantwortet. Der Herr des Hauses legte zum Beispiel neulich sein Veto ein, als ich ihm vorrechnete, dass wir für die Herstellung von schwarzem Knoblauch nur sechs Wochen lang den Reiskocher auf Warmhaltestufe laufen lassen müssten, was angesichts des Marktpreises und der kulinarischen Möglichkeiten von schwarzem Knoblauch doch ein sehr geringes Opfer wäre.

Jedenfalls: Das Brioche war gut – aber ich würde jederzeit eine Portion Pão de Quiejo bevorzugen. Andererseits: Für die paar hundert Euro, die eine neue Küchenmaschine kostet, könnte ich reichlich Brioche kaufen, und zwar in Frankreich. Die Reise nach Brasilien zu den echten Pão de Quiejo wäre kostspieliger.

Kulinarik-Kolumne Unsere Autorin schreibt jede Woche übers Einkaufen, Kochen und Genießen in Düsseldorf. Anregungen bitte an ­helene.pawlitzki@rheinische-post.de.

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