Neue Studie zu Luftschadstoffen Fast 800.000 Europäer sterben durch Feinstaub zwei Jahre zu früh

Mainz · Gegenüber einer Studie aus dem Jahr 2015 haben sich die Ergebnisse einer neuen Studie zum Thema Feinstaub dramatisch verändert. Demnach sterben Hunderttausende in Europa zu früh.

 Eine Anzeige in Stuttgart weist in der Innenstadt auf Feinstaubalarm hin (Archivbild).

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Foto: dpa/Marijan Murat

Feinstaub und andere Luftschadstoffe haben einer neuen Studie zufolge weitaus gravierendere Folgen für die Gesundheit als bislang angenommen. Schlechte Luft verkürze die Lebenserwartung der Europäer durchschnittlich um zwei Jahre, erklärten die Autoren am Dienstag in Mainz. Feinstaub zähle damit neben Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht und Rauchen zu den größten Gesundheitsrisiken überhaupt. Thomas Münzel, Direktor am Kardiologischen Zentrum der Universitätsmedizin, sprach sich vor dem Hintergrund der neuen Daten für deutlich abgesenkte und „einklagbare“ Feinstaub-Grenzwerte aus.

Die Wissenschaftler vom Mainzer Max-Planck-Instituts für Chemie und der Mainzer Universitätsmedizin hatten für ihre in der Fachzeitschrift „European Heart Journal“ veröffentlichte Studie das Verhältnis zwischen Daten zur Luftqualität und Gesundheitsstatistiken der Bevölkerung aus den europäischen Staaten untersucht. Ihren Schätzungen zufolge sterben aufgrund der Feinstaubbelastung der Luft jährlich 790.000 Europäer vorzeitig - das wären mehr doppelt so viele, wie die Verfasser einer internationalen Studie im Jahr 2015 ermittelt hatten.

Rund 40 Prozent der Todesfälle entfielen auf Herzerkrankungen, acht Prozent auf Schlaganfälle und sieben Prozent auf Lungenkrebs. Winzige Feinstaubteilchen, die über die Lunge ins Blut gelangen, seien die Hauptursache für Atemwegs- und Herzkreislauferkrankungen.

Für Deutschland errechneten die Forscher einen Wert von 154 vorzeitigen Todesfällen pro Jahr je 100.000 Einwohner. Damit wären die Auswirkungen der Luftschadstoffe in Deutschland ähnlich schwerwiegend wie im benachbarten Polen und deutlich ernster als in Ländern wie Großbritannien und Frankreich. „Deutschland ist ein ziemlich dicht besiedeltes Land, viele Menschen leben in den Ballungsgebieten“, begründete der Direktor des Max-Planck-Instituts, Jos Lelieveld, das schlechte Abschneiden der Bundesrepublik.

Bislang seien die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Feinstaubbelastung von der Politik ignoriert worden, klagte der Kardiologe Münzel. Die europäischen Grenzwerte für Feistaub lägen deutlich über den WHO-Empfehlungen und müssten daher dringend abgesenkt werden.

Vor dem Hintergrund der Daten stelle sich eine Reihe neuer Forschungsfragen, etwa, ob es überhaupt empfehlenswert sei, in Gebieten mit hoher Feinstaubbelastung körperlich aktiv zu sein: „Es gibt in München Straßen, da würde ich als Herzkranker nicht Fahrrad fahren“, sagte der Mediziner. Erkenntnisse aus stark belasteten Städten wie Peking zeigten aber auch, dass schon ein Mundschutz eine effektive Maßnahme darstelle, um die eigene Belastung zu reduzieren.

(felt/epd)
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