Assistenzsysteme Elektronik lässt sich nur schwer prüfen

Moderne Autos sind voll mit Komfort- und Assistenzsystemen. Wie lässt sich überprüfen, ob die elektronischen Hilfen funktionieren?

Eine Notfallbremse kann im Ernstfall Leben retten. Doch Gebrauchtwagenkäufer können auf einer Probefahrt nur schwer kontrollieren, ob die Assistenzsysteme auch tatsächlich funktionieren.

Eine Notfallbremse kann im Ernstfall Leben retten. Doch Gebrauchtwagenkäufer können auf einer Probefahrt nur schwer kontrollieren, ob die Assistenzsysteme auch tatsächlich funktionieren.

Foto: Getty Images/iStockphoto/Toa55

Früher war die Probefahrt nicht besonders aufwendig. Man fuhr mit dem Wagen eine Runde um den Block. Und wenn sich Motor, Getriebe und Fahrwerk einigermaßen normal verhielten, wechselte das Auto im Anschluss seinen Besitzer.

Bei modernen Fahrzeugen ist das anders. Neuwagen und jüngere Gebrauchte sind mit derart komplexer Bordelektronik vollgestopft, dass es Laien schwerfällt, sich in kurzer Zeit einen verlässlichen Eindruck von der Funktionstüchtigkeit eines Fahrzeugs zu machen.

Unerfahrenere Autofahrer sind mit der Vielzahl an Fahrhilfen und Assistenzsysteme schnell überfordert.

Unerfahrenere Autofahrer sind mit der Vielzahl an Fahrhilfen und Assistenzsysteme schnell überfordert.

Foto: Getty Images/iStockphoto/Andrija Nikolic

Ja selbst die Profis bei den technischen Überwachungsorganisationen laufen den technischen Entwicklungen der Autoindustrie mitunter hinterher, wie Thomas Schuster von der Kfz-Sachverständigenorganisation KÜS einräumt. Ständig kommen neu entwickelte Systeme auf den Markt, für die KÜS, TÜV, Dekra und Co. neue Prüfmethoden vorhalten müssen.

Die City-Notbrems-Funktion

Ein Beispiel ist die City-Notbrems-Funktion. Dabei wird die Verkehrssituation über einen Sensor an der Fahrzeugfront überwacht und bei Kollisionsgefahr eine Notbremsung eingeleitet. Das Problem: Der Sensor kann verschmutzen und das System dadurch ausfallen, was dem Fahrer bei manchen Notbremsassistenten aber nicht angezeigt wird.

Spätestens bei der Hauptuntersuchung sollten solche Defekte auffallen. Doch die Autobauer setzen ganz unterschiedliche Systeme ein und für eine verlässliche Diagnose fehlten oft die entsprechenden Herstellerinformationen, sagt KÜS-Experte Schuster. „Man bekommt dann keinen direkten Zugang in die Steuerelektronik.“ Viele der Prüfmethoden müssten die Sachverständigenorganisationen daher selbst entwickeln.

Airbags

Ganz neu ist die Problematik nicht: Auch Airbags sind komplexe Sicherheitsassistenten, und die Luftsäcke werden schon seit 25 Jahren serienmäßig verbaut – zunächst in der Oberklasse, inzwischen selbst bei Kleinwagen. Doch kein Mensch würde wohl auf die Idee kommen, bei einem Gebrauchtwagen die Funktion eines Airbags zu testen. Man vertraut einfach darauf, dass die Technik im Falle eines Unfalls funktioniert – auch wenn das Fahrzeug vielleicht schon mehrere hunderttausend Kilometer gelaufen ist und manch andere Ausstattungsteile – vielleicht ein Fensterheber oder die Klimaanlage – zwischendurch den Geist aufgegeben haben. „Aus diesem Grund verfügen Sicherheitssysteme wie der Airbag vorschriftsmäßig über eine Eigendiagnose“, erklärt Johannes Boos vom ADAC.

Das Elektronische Stabilitätsprogramm

Fällt das Sicherheitssystem wegen eines technischen Defekts aus oder ist gestört, muss dies über eine Kontrollleuchte angezeigt werden. Nur so hat der Kfz-Halter die Möglichkeit, den Defekt zu erkennen und eine Fachwerkstatt mit der Reparatur zu beauftragen. Auch andere Assistenzsysteme wie ESP (Electronic Stability Control) verfügen über eine Eigendiagnose. Das Elektronische Stabilitätsprogramm greift in Notsituationen ein, wenn ein Fahrzeug auszubrechen und von der Straße abzukommen droht.

Bei einer Probefahrt kann ein solches System, das im fahrerischen Grenzbereich arbeitet, nicht getestet werden. Hier kann man sich nur auf die Kontrollanzeige verlassen.

„Das Problem ist, dass es bei einigen Assistenzsystemen und Modellen diese Rückmeldung nicht gibt“, erklärt ADAC-Sprecher Boos. So gibt es im Fall des City-Notbremssystems auch noch keine gesetzlich verpflichtende Eigendiagnose der Bordelektronik. Die Technik ist relativ neu, und die Hersteller bauen ganz unterschiedliche Systeme in ihre Fahrzeuge ein. Die einen mögen einen Ausfall über den Bordcomputer anzeigen, die anderen tun es nicht.

Prüfung durch Profis

Der ADAC fordert daher eine einheitliche Vorgehensweise der Hersteller, was die Zuverlässigkeit und Diagnose-Möglichkeiten von Fahrassistenzsystemen betrifft. Immer wieder bekommt der Club Zuschriften von Mitgliedern, die sich etwa über einen vermeintlichen Ausfall des City-Notbremssystems in ihrem Wagen beschweren, nachdem sie es vorher erfolglos getestet hätten. „Das geht zum Teil bis zum Gerichtsprozess“, berichtet ADAC-Sprecher Boos.

Dabei kann man ein City-Notbremssystem kaum im Selbstversuch testen, weil der Computer erst im allerletzten Moment einspringt, wenn es schon fast zu einem Auffahrunfall gekommen ist. „Wir bitten daher alle Autofahrer, solche Systeme nicht auszuprobieren. Das kann nur schiefgehen.“

Besser ist es, eine Prüfstelle einer Kfz-Sachverständigenorganisation wie Dekra, TÜV oder KÜS anzufahren. Die Ingenieure dort haben zur Überbrückung inzwischen den sogenannten HU-Adapter zur Verfügung. Das Tool wird per OBD-Schnittstelle an das Fahrzeug angeschlossen und überprüft, welche Systeme in einem Fahrzeug verbaut sind.  Mit dem HU-Adapter könnten Kfz-Sachverständige inzwischen zuverlässig viele gängige Assistenzsysteme checken, sagt Thomas Schuster von der KÜS. Mit einer Einschränkung: Der Adapter funktioniert nur bei Gebrauchtfahrzeugen bis zu einem Alter von etwa zwölf Jahren.

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