CD-Kritik The Vines: Vision Valley

Craig Niccolls ist schon ein komischer Vogel: Ausraster bei Konzerten, stures Schweigen in Interviews und überhaupt - irgendwie verrückt, der Gute. Mit seiner Band The Vines beweist der Australier, dass ein bisschen Wahnsinn noch keinem Genie geschadet hat: Besseren Garage-Rock als auf "Vision Valley" wird es wohl das ganze Jahr über nicht zu hören geben.

Anders als beim Kollegen Pete Doherty kann man ihm diese ungleich sympathischere Art des Wahnsinns ohnehin nicht übel nehmen: Kurz nach Erscheinen des Sophomore-Albums "Winning Days" prognostizierten die Ärzte Nicchols Ende 2004 das Asperger-Syndrom (AS), einer abgeschwächten Form des Autismus. Gezählt schienen die Tage der jungen Wilden aus Australien, ausgeschöpft die kreative Ader ihres kranken Frontmanns. Lange wurde es still um die Herren aus Sydney, die erst vor vier Jahren mit ihrem Debüt-Album "Highly Evolved" und mehr als nur einem Hit im Gepäck ihren Durchbruch feierten.

Etwas überraschend erscheint nun ihr drittes Werk "Vision Valley". Und es hält, was die Ankündigung im November letzten Jahres und die ersten Single "Don't Listen To The Radio" versprachen. Mehr als das. Wie schon auf dem von der Fachpresse vielerorts unterschätzen Vorgänger "Winning Days", wissen The Vines auch mit ihrem dritten Longplayer zu überzeugen. Zwar erfindet sich das Trio aus Down Under in keiner der knapp 31 Spielminuten neu, es klingt im Vergleich zu vielen ihrer neureichen "The-Band"-Kollegen allerdings weiterhin unerhört frech und unverbraucht.

Nicht nur Grunge-Freunde, die dem Mann mit dem Loch im Kopf immer noch nachtrauern, werden in Krachern, wie dem rotzigen Opener "Anysound" und dem spritzigen "Gross Out" weit unterhalb der Zweiminutenmarke ihr mittelfristiges Nirvana entdecken. Liebhaber der ruhigeren Gangarten finden im Tal der Traum- und Trugbilder ebenso ihren Seelenfrieden: Wie schon auf den beiden Vorgängern, fühlt man sich bei den Balladen auch auf "Vision Valley" wieder positiv an die Fab Four aus Liverpool erinnert: Wären John Lennon und George Harrison nicht viel zu früh von dieser Welt gegangen - auch sie hätten Songperlen, wie das frisch dahinplätschernde "Going Gone" oder das zum Schlendern einladende "Take Me Back" mit den Beatles wohl nicht besser hinbekommen.

Das epische "Spaceship" bildet den krönenden Abschluss einer aufregenden Reise durch die unergründbaren Sphären des Craig Niccholls. Zumindest, was eine Tour angeht, vermutlich ein Abschied für immer: Aufgrund seiner Krankheit wird er wahrscheinlich nie wieder live auf einer Bühne zu sehen sein. Umso mehr freut es da, dass zumindest die CD-Ausgabe des 2006er Jahrgangs der Vines ein wahrlich edler Tropfen geworden ist.

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