Düsseldorf Als Bowie nach Düsseldorf kam

Düsseldorf (RP). Wie einflussreich diese Musik heute noch ist, spürt man bei der Lektüre dieses Interviews. Noel Gallagher, Kopf der englischen Band Oasis, gab es dem Musikmagazin "Spex": "Düsseldorf muss damals das Symbol für die Zukunft gewesen sein", sagt er. Gallagher drückt seine Bewunderung für Bands wie La Düsseldorf und vor allem Neu! aus, die in den frühen 70er Jahren in dieser Stadt ihre Ideen vertont haben. Und die langen Instrumentalpassagen, das Collagierte, die eingestreuten Sprachfetzen und repetitiven Gitarren-Akkorde, die dabei herauskamen, nennt man Krautrock.

 David Bowie, der Mann mit den verschiedenfarbigen Augen.

David Bowie, der Mann mit den verschiedenfarbigen Augen.

Foto: ddp

Düsseldorf als Epizentrum

"Krautrock ist eine Geisteshaltung; der Wille, alles in Frage zu stellen, neue Territorien zu erkunden und eine eigene musikalische Sprache zu finden." Das schreibt Henning Dedekind in seiner eben erschienenen Monographie mit dem Titel "Krautrock". Pünktlich zur Renaissance des Phänomens schlüsselt der Autor die Entstehung dieses Klanges auf und portraitiert Bands wie Amon Düül, Ash Ra Tempel, Embryo, Can, Eloy und Faust.

Neben Berlin und München gilt Düsseldorf als eines der "Epizentren" des Krautrock. Und im Gegensatz zu den uferlosen und heute meist unhörbaren Psychedelik-Exkursionen vieler Musiker von früher klingen die Düsseldorfer immer noch — oder besser: nun erst — zeitgemäß. Neu! etwa verblüfft durch mitreißend nach vorne getrommelte Instrumental-Stücke, deren Muster bei vielen Britpop-Bands auftaucht. Der kürzlich gestorbene Band-Chef Klaus Dinger saß auch bei der ersten Kraftwerk-Platte am Schlagzeug und gründete später La Düsseldorf, die mit dem Titel "Rheinita" einen Hit hatten.

Ein großer Fan dieser Bands, schreibt Dedekind, war David Bowie. Er lebte damals in Berlin, fuhr im Mercedes nach Düsseldorf und versuchte nacheinander Kraftwerk, Klaus Dinger und den Neu!-Gitarristen Michael Rother zur Kooperation zu überreden. Aber irgendwie wurde nichts daraus, aus Schludrigkeit, aber auch ein bisschen aus Hochmut — man kam sich sehr elitär vor damals.

Neu!-Platten neu erschienen

Conny Plank, verantwortlich für den Sound der meisten Düsseldorfer Krautrocker, sollte laut Legende später die Produktion des U2-Albums "The Joshua Tree" übernehmen. Er habe abgesagt, weil ihm U2-Sänger Bono unsympathisch gewesen sei. Brian Eno, Bowies Kompagnon bei "Heroes", habe den Job dann übernommen. Und: Bowie soll den Titel seines Meisterwerks "Heroes" überhaupt nur aus Verneigung vor dem Neu!-Titel "Hero" gewählt haben. Das klingt alles arg nach Krautrocker-Latein, fasziniert aber doch.

So ist denn dieses Buch sehr amüsant zu lesen. Schön auch, dass am Ende auf fast 100 Seiten die Bands der Zeit ausführlich vorgestellt werden, samt Diskografie. Als Soundtrack für die Lektüre seien die drei Alben von Neu! empfohlen. Sie sind alle umwerfend und wurden kürzlich von Herbert Grönemeyer auf seinem Label Grönland wieder veröffentlicht.

Henning Dedekind: "Krautrock", Hannibal Verlag, 310 S., 24,90 Euro

(RP)
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