Gefährliche Defekte im Stoffwechsel

Bei vielen Stoffwechselkrankheiten ist eine frühzeitige Diagnose entscheidend. Derzeit werden in Deutschland etwa 10 000 Kinder und Jugendliche meist in pädiatrischen Stoffwechselzentren betreut. Oft mangelt es an einem einzigen Enzym. Biotechnologie hilft bei der Therapie.

Weltgesundheitsorganisation und Europäische Union haben die Prävention und Behandlung genetischer und seltener Krankheiten als eine zentrale Herausforderung für die Gesundheitsversorgung des 21. Jahrhunderts in das Zentrum ihrer Aktivität gestellt. Innerhalb dieser Gruppe sind die mehr als 1000 bekannten angeborenen Stoffwechselkrankheiten von besonderer Relevanz. Angeborene Stoffwechselkrankheiten können in jedem Lebensalter auftreten, bevorzugt jedoch im Neugeborenen-, Säuglings- und Kleinkindalter. Derzeit werden in Deutschland etwa 10 000 Kinder und Jugendliche meist in Stoffwechselzentren betreut.

Symptome Die klinische Symptomatik ist vielfältig und oft nicht spezifisch. Die Krankheiten verlaufen sowohl akut als auch chronisch. Dabei können mehrere Organe wie Gehirn, Leber, Herz, Nieren, Augen, Muskulatur, Haut gleichzeitig betroffen sein. Zu den Leitsymptomen gehören Koma, Hirnschädigung (Enzephalopathie, vor allem bei Neugeborenen), Krampfanfälle, Leberfunktionsstörungen, Herzmuskelerkrankung (Kardiomyopathie), Bewegungsstörungen und Entwicklungsverzögerung.

Ursache Stoffwechselkrankheiten werden oft durch den Mangel eines Enzyms verursacht und sind genetisch bedingt, so dass für zukünftige Geschwisterkinder ein Risiko besteht. Die Mehrzahl der Krankheiten – etwa 80 bis 90 Prozent – wird autosomal-rezessiv vererbt, das bedeutet ein Wiederholungsrisiko von 25 Prozent. Die häufigsten Störungen treten im Eiweiß-, Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel ein. Jedes Jahr werden zudem neue Stoffwechselkrankheiten entdeckt.

Spezielle Diät Eines der wichtigsten Prinzipien besteht in lebenslangen diätetischen Maßnahmen mit synthetischen Nahrungsmitteln und Spezialprodukten. Sie sind in ihrer Zusammensetzung geeignet, den spezifischen Stoffwechseldefekt zu kompensieren.

Fehlendes Enzym Ein Beispiel ist die Phenylketonurie (PKU), eine Stoffwechselkrankheit, bei der in der Leber ein Enzym fehlt, das für den Abbau der Aminosäure Phenylalanin notwendig ist. Unbehandelt führt PKU bereits im frühen Kindesalter zu schwerer Hirnschädigung mit geistiger Entwicklungsverzögerung, Krampfanfällen und weiteren neurologischen Symptomen. Durch eine phenylalaninarme Diät können sich Kinder allerdings normal entwickeln – jedoch nur, wenn die Behandlung kurz nach der Geburt begonnen wird, wie dies in Deutschland durch das Neugeborenenscreening ermöglicht wird. Jährlich werden hierzulande 70 bis 100 Kinder mit PKU frühzeitig erkannt.

Die Anwendung moderner biotechnologischer Verfahren hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. So ist es heute möglich, durch Gabe eines gentechnisch hergestellten Enzyms eine steigende Zahl lysosomaler Speichererkrankungen, an denen in Deutschland einige Hundert Patienten leiden, zu behandeln.

Fehlfunktion Lysosomalen Speicherkrankheiten liegt eine genetisch bedingte Fehlfunktion von Zellorganellen, den Lysosomen, zugrunde. Nach zunächst normaler Entwicklung treten allmählich charakteristische Symptome wie Leber- und Milzvergrößerung, Deformitäten des Skeletts oder Entwicklungsverzögerung auf. Dies bedeutet, dass Symptome meist erst im Säuglings-, Kleinkind- oder sogar Erwachsenenalter auftreten. Diese Krankheiten sind noch nicht heilbar, aber durch mittlerweile zur Verfügung stehenden Präparate zur Enzymersatz-Therapie konnten beträchtliche Fortschritte in der Verbesserung von Organfunktionen (Lungenfunktion, Gehfähigkeit und Gelenkbeweglichkeit) gemacht werden.

Leberschädigung Bereits im frühen Kindesalter kann es zu schweren Leberschädigungen kommen. So führt die Tyrosinämie Typ I, eine angeborene Störung im Stoffwechsel der Aminosäure Tyrosin, akut zum Leberversagen und chronisch zu einer Leberzirrhose. Viele Jahrzehnte lang gab es bis auf die Möglichkeit einer Lebertransplantation keine Heilungsmöglichkeit, so dass viele kleine Patienten sehr jung sterben mussten. Mittlerweile steht aber auch hier ein Medikament zur Verfügung (NTBC), das in Kombination mit einer speziellen Diät zu einer guten Prognose führt.

(RP)
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