Freier Eintritt in alle Museen?

Nach Meinung des Berliner Museumsdirektors Hans Ottomeyer soll man auf den Eintritt für Museen zu verzichten. Nur so werde man dem Bildungsauftrag gerecht. Andere Modelle sehen eine Bezahlung nach Verweildauer vor.

Dieses Urteil klingt vernichtend – wie ein mächtiger Donnerhall zum Jahresausklang: "Es ist ein Trauerspiel, hierzulande in Kunstmuseen zu gehen", wettert Hans Ottomeyer, der Ende März als Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums (DHM) zu Berlin in den Ruhestand geht. Seine Analyse: schlechte Beleuchtung der Kunstwerke, keine Werbung, lieblose Texttafeln, öde Museumsshops. Sein Fazit: Die wollen offenbar keine Besucher.

Sollten dies die Museumsbetreiber aber tatsächlich im Sinn gehabt haben, so ist ihnen das im vergangenen Jahr gründlich misslungen. Denn selten zuvor haben so viele Menschen deutsche Museen besucht wie 2009: Mit 107 Millionen Besuchen übertraf man das gute Ergebnis vom Vorjahr noch einmal um zwei Prozent. So mag die Expertise vielleicht weniger der aktuellen Situation in der Museumslandschaft gerecht werden als vielmehr der unfrohen Gestimmtheit eines baldigen Ruheständlers.

Was von dem Kommentar Hans Ottomeyers gestern aber nachwirkte, war seine in diesem Zusammenhang gestellte Forderung nach freiem Eintritt. Sollten die Museen, so Ottomeyer, ihren Bildungsauftrag ernst nehmen, so müssten sie jedem den Zugang zu den Häusern möglich machen. "Viele Leute haben einfach nicht so viel Geld und überlegen sich zweimal, ob sie nach einem Museumsbesuch auch noch ein zweites oder drittes Museum ansehen – wegen des hohen Eintritts." Außerdem würden die Museen nach seinen Worten ja auch wieder Geld für jenes Personal sparen, das ansonsten mit dem Ticketverkauf und dem anschließenden "Geldzählen" beschäftigt sei.

Ein Vorbild sind für Ottomeyer vor allem die großen Londoner Museen, die keinen Eintritt erheben. Allerdings kommt auch dabei sein Diskussionsanstoß zu unpassender Zeit, da in England gerade wieder mit Nachdruck über die Einführung von Eintrittsgeldern nachgedacht wird.

Das Thema ist also nicht neu, aber deswegen keineswegs veraltet. Besonders Ökonomen machen sich immer wieder Gedanken über die angemessene Entlohnung eines Kunstgenusses. Zuletzt war es der Schweizer Bruno Frey, der völlig zu Recht anmerkte, dass man die ästhetische Qualität dessen, was man im Museum konsumiert, tatsächlich erst dann ermessen kann, wenn man dafür schon bezahlt hat. Keiner weiß exakt, was im Museum auf ihn zukommt. Und so geht jeder Besucher zunächst einmal ein Risiko ein – er kauft an der Museumskasse also stets die Katze im Sack.

Da ein freier Eintritt aber Ökonomen nicht allzu sehr behagt, haben sie klügere Geschäftsmodelle ersonnen. Und eins funktioniert so, wie es bereits bei Parkhäusern gelungene Anwendung findet: Der Eintritt wird nicht am Eingang, sondern erst am Ausgang erhoben. Und abgerechnet wird dabei nur nach der Intensität des Kunstgenusses. Wer danach ein Museum betritt, zieht ein Ticket; wenn er das Haus wieder verlässt, bezahlt er an einem Automaten – und je länger er verweilte, desto höher wird das Entgelt. Man könnte nach Frey im Extremfall sogar nach Minuten abrechnen. Und der Schweizer hat eine Variante parat: Die erste halbe Stunde eines Museumsbesuches könnte frei sein; erst die Zeit danach wird berechnet.

Vor vier Jahren hat das ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in einer großen Studie Museums-Eintrittspreise untersucht. Danach weisen die Besucher eines Kunstmuseums eine deutliche höhere Akzeptanz für die Preise auf als die Besucher von Häusern mit naturkundlicher Ausrichtung. Eine deutliche Erhöhung der Preise würde nach der Studie zu einem Besucherrückgang um rund ein Viertel führen. Aufschlussreich ist auch die Bildung der Besucher: Bei Kunstmuseen lag der Anteil von Besuchern mit Hauptschulabschluss bei drei Prozent; bei Naturkundemuseen bei 15 Prozent. Eintrittspreise werden so auch zur sozialen Frage. Gestern forderte die kulturpolitische Sprecherin der Linkspartei, Lukrezia Jochimsen, vorsorglich auch freien Museumseintritt. Denn unabhängig ihres Milieus sollten allen Menschen die "Teilhabe am kulturellen Reichtum" möglich sein.

(Rheinische Post)
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